SWR2 Wort zum Tag

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Eigentlich bin ich ja ein ziemlicher Fastnachtsmuffel. Aber den Rosenmontagsumzügen, denen kann ich doch etwas abgewinnen, vor allem den politischen Motivwagen. Wenn sie „protestantisch“ werden. Nicht im Sinn von „ernst“ oder „humorlos“. Sondern im Sinn von protestlerisch-frech, im Blick auf hohe Herrschaften. Ich bin gespannt, wie unsere „Angela“, ihr Vize „Sigmar“ oder „König Horst“ aus München heute in Mainz, Köln und Düsseldorf aufs Korn genommen werden.
Satirisch-humorvoller Protest auf politisch Mächtige wie bei den Rosenmontagszügen, Vorbilder dafür gibt es sogar schon in der Bibel. Literarische jedenfalls. Im Alten Testament steht eine wunderbar bittere Satire gegen das Königtum. Verpackt in die Form einer Fabel. Jotham heißt der satirische Machtkritiker und seine Kritik ist fundamental. Fast anarchistisch. Tenor: Was soll man als Volk von einem König schon erwarten können?
Folgende Szene malt er seinen Zuhörern vor Augen: Eines Tages hätten die Bäume beschlossen, sich einen König zu wählen, erzählt Jotham.
Erster Kandidat: Der Ölbaum. Sei unser König, sagen die anderen. Aber der Ölbaum hat keine Lust auf Macht:
„Soll ich meine Fettigkeit lassen, die Götter und Menschen an mir preisen, und hingehen, über den Bäumen zu schweben?“
Dann halt nicht. Zweiter Kandidat: Feigenbaum, spinnt Jotham seine Satire weiter. Aber auch dem Feigenbaum steht der Sinn nicht nach Höherem: Soll ich meine Süßigkeit und meine gute Frucht lassen und hingehen, über den Bäumen zu schweben? fragt er rhetorisch.Als dritten bitten sie den Weinstock.Aber auch der gibt ihnen eine Abfuhr und will lieber weiter Götter und Menschen fröhlich machen, als in höheren Machtsphären zu schweben. Aber sie lassen nicht locker und tatsächlich, einer findet sich, die herrschaftsfreie Not endlich zu beenden: Der Dornbusch. Generös stellt er sich vor seine prachtvollen Mitbäume und hebt auch gleich fulminant an zu seiner Inthronisationsrede: Ist's wahr, dass ihr mich zum König über euch salben wollt, so kommt und bergt euch in meinem Schatten; wenn nicht, so gehe Feuer vom Dornbusch aus und verzehre die Zedern Libanons.(Richter 9,7ff) Ich vermute, das Antikönigsgelächter war groß, angesichts der Leistungen, die die Einführung der Königtums verheißt.
Soweit die fabelhafte Satire aus biblischen Zeiten. Durchgesetzt haben die Königskritiker sich damals nicht. Auch Israel hat das Königtum eingeführt. Bis es wieder untergegangen ist. Aber Jothams freche Satire auf die Macht ist in der Bibel immer noch lebendig. Gut, wenn ein bisschen was davon auch in Rosenmontagszügen lebt. Das erdet Mächtige.

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