SWR2 Wort zum Tag

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„Weit weg ist näher als du denkst“: Mit dieser Kampagne rückt die Caritas in diesem Jahr verschiedene Themen in den Blick, die sich alle auf den einen Punkt bringen lassen: Wir sind globale Nachbarn. Weltweit. Und wir sind herausgefordert, diese globale Nachbarschaft so zu gestalten, dass sie für alle Beteiligten menschlich und menschenwürdig ist. 

Eines der Bilder, mit denen die Caritas auf ihr Thema aufmerksam macht, zeigt in der linken Hälfte eine alte Dame im Rollstuhl, in einem gemütlichen Wohnzimmer.  Freudig und erwartungsvoll sieht sie der jungen Frau entgegen, die zu ihr ins Zimmer kommt. In der rechten Bildhälfte steht – umgeben von der kalten Kulisse großstädtischer  Plattenbauten – ein kleines Kind, in der Hand eine Puppe; und es schaut traurig seiner Mutter nach. Und zwischen beiden Bildern die junge Frau, bereits in ihrer neuen Aufgabe angekommen, aber mit den Gedanken, mit einem Teil ihrer selbst noch in ihrer Heimat, bei ihrer Familie und ihrem Kind. Ihr trauriger Blick macht es überdeutlich. Es ist ein anrührendes Bild. 

Diese Situation ist heute vielen vertraut: Immer mehr Menschen sind darauf angewiesen, dass ihr Haushalt versorgt wird, dass sie zuhause gepflegt werden.  Dass jemand bei ihnen ist, damit sie nicht vereinsamen. 

Etwa 100.000 bis 200.000 Frauen aus Polen, aus der Ukraine oder aus anderen mittel- und osteuropäischen Ländern arbeiten in deutschen Privathaushalten, als Haushaltshilfen oder als Pflegekräfte. Wir sind dringend auf sie angewiesen, ebenso wie auf die vielen anderen ausländischen Arbeitskräfte. Ohne die Erntehelfer, ohne das Servicepersonal im Hotelgewerbe, ohne die Bauarbeiter oder eben die Pflegekräfte wäre hierzulande vieles nicht mehr zu bewältigen. 

Unser Arbeitsmarkt braucht diese Menschen dringend. Aber sind sie denn wirklich willkommen? Das heißt: Begegnen wir ihnen offen, mit Wertschätzung, ohne Vorurteile? Das bedeutet aber auch: Nutzen wir sie aus, gelegentlich sogar mit illegalen Methoden; oder schaffen wir faire Arbeitsbedingungen, zahlen anständige Löhne und sorgen für sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze? Ermöglichen wir ihnen die nötigen Zeiträume, um sich in der Heimat um die Familie und die  Kinder zu kümmern, damit diesen die Mutter oder der Vater nicht fremd wird? Sie haben die gleichen Bedürfnisse, Hoffnungen und Sorgen wie wir. Sie sind ebenso wie wir darauf angewiesen, dass sie Zuwendung und Nähe  erfahren. Lebensbedingungen, die ihrer würdig sind – das sind wir ihnen schuldig. 

„Wir haben Arbeitskräfte gerufen, und gekommen sind Menschen.“ Dieser Satz stammt aus der Zeit der ersten so genannten Gastarbeiter. Er ist nach wie vor gültig.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17048
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