SWR2 Wort zum Tag

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Die Karriere der Internet-Community „Facebook“ ist erstaunlich und zugleich symptomatisch, denn das „Netz“ ist anonym. Zugleich gibt „Facebook“ vor, in der Masse der Daten, die den Globus permanent umkreisen, Gesicht zeigen zu können. Ein Kommunikationsangebot von Angesicht zu Angesicht wird programmatisch im Titel geführt, doch die Namenswahl verrät noch mehr.
Lassen wir die Abgründe einmal außen vor, die sich mit dem Missbrauch der im Netz gespeicherten persönlichen Daten auftun – dann zeigt mir ein digitales schwarzes Brett wie „Facebook“ zumindest eines: die Sehnsucht nach Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, auch im Netz. Und es macht zugleich deutlich, wie unverzichtbar, ja unersetzlich solche Begegnungen diesseits des Netzes sind.
Von Angesicht zu Angesicht miteinander reden zu können, hat etwas Besonderes, etwas Einzigartiges. Wenn wir miteinander sprechen, dann spricht ja nicht nur unser Mund. Es sprechen auch unsere Augen oder unsere Stirn. Auch Körperhaltung, Gesten, ja Distanz und Nähe, Zuwendung und Berührungen „reden“ mit. Doch das Gesicht „regiert“ die Kommunikation.
Das Gesicht ist mehr als nur die Vorderseite des Kopfes. Es ist ein Fenster unserer Gefühle und Stimmungen, unserer Wünsche und Absichten. Das Gesicht ist das Persönlichste, was ein Mensch hat. Und es ist zugleich „An-gesicht“. In ein Gesicht schauen zu können heißt: einen Menschen ganz persönlich vor sich zu haben.
Ich sehe es als eine Gabe Gottes an, dass Menschen Gesichter haben. Das Gesicht unterscheidet den Menschen vom Tier. So hat Gott die Menschen geschaffen. Als seine Ebenbilder. Mit einem Angesicht, damit sie sich einander zuwenden können. Damit sie sich etwas mitzuteilen haben – auch ohne Worte, von Angesicht zu Angesicht oder –wie es neudeutsch heißt: face to face.
Deshalb glaube ich den Propheten des digitalen Zeitalters nicht. Auch sozi-ale Netzwerke – und mögen sie den verheißungsvollen Namen „Facebook“ tragen – sind nicht besser als das gute alte Telefon. Sie sind vielleicht schneller und transportieren mehr Information, aber sie sind ein Instrument, ein Werkzeug, und sie ersetzen ebenso wenig die Begegnung von Angesicht zu Angesicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17036
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