SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Erlöster müssten [mir] seine Jünger aussehen". Dieser Satz stammt von dem Philosophen Friedrich Nietzsche. Mit den „Jüngern“, die erlöster aussehen müssten, meint er ziemlich sicher die Christen. Auf den ersten Blick würden dem sicher viele zustimmen. Klar fallen mir sofort Beispiele von Leuten ein, die das Christentum eher verkniffen vertreten und dabei recht unglücklich wirken. Leider bin ich manchmal auch so einer, der wahrscheinlich weniger erlöst wirkt. Aber wie man aussieht, wenn man erlöst aussieht, weiß ich auch nicht. Ein Dauergrinsen oder so kann’s nicht sein.

Im Auto oder beim Einkaufen ertappe ich mich zur Zeit oft mit missmutigen Gedanken über andere. Dabei vergesse ich, dass dieser Moment ja auch ein Augenblick meines Lebens ist, den ich dadurch nicht schöner mache.

Wenn ich es merke, versuche ich, gegenzusteuern. Eine Hilfe dazu habe ich in einem Buch von Richard Rohr gefunden. Er geht darin auf einen Satz von Jesus ein, in dem er sagt: Freut euch, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind. Ich habe das schon öfter gehört oder gelesen, aber Richard Rohr hat mich auf etwas Neues gebracht: Wenn mein Name im Himmel verzeichnet ist und wenn das ein Grund zur Freude sein soll, dann kann das nur bedeuten, dass Gott mein Leben und mein Glück will, weil er mich erfunden hat so wie ich bin. Jesus hat mit seinem ganzen Leben deutlich gemacht, dass kein Fehler der Menschen etwas daran an ändern kann, dass Gott mich akzeptiert und mein Bestes will. Das ist doch wirklich ein Grund zur Freude. Und erlösend. Seit ich mir das bewusst mache, fällt mir auf, dass ich mit diesem Satz im Hinterkopf auch die andern Menschen anders sehe. Denn für sie gilt das ja genauso wie für mich.

Ich habe es jetzt schon ein paar Mal ausprobiert, wenn ich in der Schule mit Kollegen oder Schülern rede oder auch beim Einkaufen. Wenn ich mir vorstelle, dass Gott mit mir und mit den Menschen, denen ich da begegne, etwas Gutes im Sinn hat, kann ich mir plötzlich mehr Zeit nehmen. Ich bekomme plötzlich wieder mit, ob es meinem Gegenüber gerade gut oder schlecht geht und ich kann anders darauf eingehen.

Vielleicht liegt es wirklich an mir, ob ich Gottes Erlösung akzeptiere und mir bewusst mache und dann erlöster wirke.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17019
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