SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Non, rien de rien – non, je ne regrette rien“. – „Nein. Ich bedaure nichts“. Ein alter Schlager von Edith Piaf, den ich neulich wieder im Radio gehört habe. Ich mag das Lied, weil ich dabei etwas von dem Selbstbewusstsein lernen kann, das der Text vermittelt.

Wenn ich es höre, spüre ich zuerst immer den Trotz, der darin steckt. Dieser Trotz hat was von einer Lebenseinstellung, die mich stark machen kann, damit ich den Widrigkeiten des Lebens widerstehe. Wahrscheinlich braucht jeder diese Form von Trotz. Besonders an Tagen, wo eine schlechte Nachricht die andere jagt und wo meine gute Laune sich verabschiedet hat. Wenn ich wie Edith Piaf dieses trotzige „Nein“ sagen kann, dann bewirkt das bei mir manchmal schon, dass ich wieder Mut habe, neu anzufangen. Und dass ich glaube, dass es sich lohnt, wenn ich nicht aufgebe.

Trotz ist aber nicht nur eine positive Kraft, sondern hat ja auch was Kindisches. Ein trotziges Kind muss erst noch lernen, dass seine Wünsche nicht immer sofort gestillt werden können. Das kenne ich als Erwachsener zwar auch. Aber der Trotz in diesem Lied fühlt sich für mich anders an.

Und der Liedtext bleibt ja auch nicht beim trotzigen „Nein“. Wenn ich höre, wie Edith Piaf dann noch singt, dass sie nichts bedauert, bewundere ich nämlich auch ihr Selbstbewusstsein. Denn dass ich nichts bedaure, kann ich von mir nicht immer sagen. Edith Piafs Leben ist sicher nicht immer perfekt verlaufen. Dass sie dann trotzdem singen kann „ich bedaure nichts“ zeigt ihre Art zu ihrem Leben zu stehen so wie es ist. Eine Haltung à la: Ich bin verantwortlich für mein Leben und für meine Launen. Niemand sonst. Ich treffe meine Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen. Und wenn etwas schief geht, dann ändere ich das.

Das finde ich sehr reizvoll. Viele christliche Lieder sind fast schon das genaue Gegenteil. Da ist oft davon die Rede, dass ich bereue und Gott um Vergebung bitte. Gut, beides hat eine Veränderung im Blick. Aber ich finde es auch interessant, wenn ich mir vornehme, meine Entscheidungen im Voraus so zu treffen, dass ich später nichts bereuen muss. Und wenn etwas schief geht, dann ändere ich das. Was mein Denken von dem Liedtext unterscheidet, ist vermutlich, dass ich dabei auch darauf hoffe, dass meine Änderungsversuche unter dem Segen Gottes leichter gelingen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17016
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