SWR3 Gedanken

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"Wenn du dein Leben noch einmal leben könntest, was würdest du anders machen?" Beliebte Frage. Ehrlich gesagt, würde ich eine Menge Dinge anders machen. Aber ich kann mein Leben nicht noch einmal leben. So gesehen ist die Frage müßig. Aber trotzdem geht sie mir nicht aus dem Sinn.
Weil ich ein Zitat des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges gelesen habe. Der hat mit 85 Jahren folgende Bilanz seines Lebens gezogen: "Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen. Ich würde nicht so perfekt sein wollen, ich würde mich mehr entspannen. Ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen. Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich von Frühlingsbeginn bis in den Spätherbst hinein barfuß gehen. Und ich würde mehr mit Kindern spielen."
Ziemlich viel für ein zweites Leben. Das Borges auch nicht hatte. Weil er mit 86 Jahren gestorben ist. Für ihn hatte seine Bilanz kaum noch Konsequenzen. Aber mir kann sie helfen. Denn ich habe hoffentlich ja doch noch einiges an Leben vor mir. An der Vergangenheit kann ich nichts mehr ändern. Aber doch vielleicht an dem, was noch kommt.
Dazu sind Bilanzen ja auch gut. Egal, wann man sie zieht. Man bedenkt die Vergangenheit mit ihren Fehlern und zieht Konsequenzen für die Zukunft. Und in Hinblick auf meine Zukunft tun mir die Worte von Herrn Borges richtig gut: Ich würde mich von Herzen gern mehr entspannen und die Dinge nicht so ernst nehmen. Mit meinen Fehlern würde ich gerne Frieden schließen und vor allen Dingen nicht mehr dem Ideal der Perfektion hinterherrennen. Ich sehne mich nach der Leichtigkeit des Seins – ob barfuß oder mit Schuhen, ob mit Kindern oder alleine.
Und weil das so ist, will ich auch nicht warten, bis ich 85 bin und wirklich ein zweites Leben bräuchte. Dann fange ich lieber heute an, die Chancen zu nutzen, die im Rest meines Lebens liegen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17009
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