SWR3 Gedanken

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Eines Freitagabends stehen sie am Bahnhof in Kaiserslautern. Zwei Großfamilien aus Osteuropa, insgesamt zehn Erwachsene und vierzehn Kinder. Sie sind aus ihrer Heimat geflohen und in der Hoffnung auf Asyl zunächst hier gestrandet. Die Bundespolizei liest sie auf und bringt sie fürs Erste in ein Heim für Obdachlose.
Dort reichen die Lebensmittel nicht. Die Bundespolizei besorgt Ravioli, die Obdachlosen kochen. Und einer geht los, löst seine Pfandflaschen ein, die er den Tag über gesammelt hat. Von dem Geld kauft er Gummibärchen. Für die Kinder. Am nächsten Tag wird gemeinsam gefrühstückt, dann werden die Asylsuchenden nach Trier gebracht. Ende der Geschichte.
An der ich vor allen Dingen das mit den Pfandflaschen und den Gummibärchen bemerkenswert finde. Wer Pfandflaschen sammelt, ist vom Leben nicht auf Rosen gebettet. Der braucht jeden Cent wirklich dringend. Und so einer geht los, gibt seine Pfandflaschen her, weil er Kinder sieht, die dringend ein wenig Freude brauchen.
Am nächsten Tag steht die Geschichte in der Zeitung. Und heute erzähle ich sie Ihnen. Und ich glaube nicht, dass ich Ihnen erklären muss, warum. Diese Geschichte spricht eigentlich für sich selbst. Sie spricht von Nächstenliebe, wie es die Bibel kaum besser könnte. Dort geht es nicht um Ravioli und Gummibärchen, nicht um Wohnungslose und Asylsuchende. Aber es geht immer wieder um Menschen, die füreinander da sein sollen.
In meiner Geschichte geben Menschen von dem, was sie haben, etwas ab an andere, die nichts haben. Es wird nicht gefragt, ob die osteuropäischen Familien das verdient haben, es wird nicht auf Gegenleistung gebaut. Und ausgerechnet Obdachlose, die auch nicht viel mehr haben, werden zum Beispiel für Großzügigkeit, Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit. Wegen mir könnten solche Geschichten viel öfter in der Zeitung stehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17008
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