SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Oh welch ein Glück, geliebt zu werden, /und lieben, Götter, welch ein Glück!“
So endet das Gedicht „Willkomm und Abschied“ von Johann Wolfgang von Goethe, worin er das nächtliche Stelldichein bei seiner Geliebten, der Pfarrerstochter Friedericke Brion, beschreibt. Doch trotz der nächtlichen Schwüre hielt diese Liebe nicht lang. Eine Erfahrung, die viele Menschen teilen. Es gibt dieses Gefühl von tiefer, innerer Verbundenheit und in dieser „Hoch-zeit“ scheint die Liebe ewig und unzerstörbar. Doch dieses Gefühl trägt bei vielen kein Leben lang.
Kann man da überhaupt ein JA zueinander sprechen, wie es beim feierlichen Ritual der Hochzeit geschieht? Einen Bund fürs Leben eingehen, der auf gegenseitiger Liebe gründet? Sind Lebensabschnittspartnerschaften nicht realistischer?
Es gibt im Johannesevangelium im Neuen Testament eine Erzählung, die auf symbolische Weise diese Brüchigkeit menschlicher Liebe aufgreift: Die sogenannte Hochzeit in Kana. Johannes hält sich nicht lang bei der Schilderung des Festes auf sondern beginnt gleich beim kritischen Punkt: „Als der Wein ausging...“. Was für eine Schande! Auch was für ein schlechtes Omen für das junge Paar!
Der Hochzeitswein, das ist das wunderbare Gefühl gegenseitiger Liebe; wenn man sich zum anderen hingezogen und von ihm verstanden fühlt und sein Wohl selbstverständlich im Blick hat. Dieser Wein geht so schnell zur Neige. Und dann? Oft bleiben Enttäuschung, Resignation, innere oder gar äußere Trennung.
Der Wein ist leer und Jesus gibt den Dienern den Auftrag: Füllt die leeren Krüge mit Wasser. Ein seltsamer Auftrag. Wer wollte schon Wasser trinken auf einer Hochzeit? Auch das ist ein tiefsinniges Bild. Das Wasser bedeutet für das Eheleben die vielen kleinen alltäglichen Dinge, die wir füreinander tun können. Ein freundliches Wort , eine liebevolle Geste, ein offenes Gespräch auch über die gegenseitigen Gefühle, über Verlässlichkeit und die Bereitschaft, die Lasten des Lebens gemeinsam zu tragen. Das scheint manchmal wenig und ist doch viel. Ich denke, es ist wichtig einzusehen, wie begrenzt wir als Mann und Frau in Sachen Liebe sind. Dass wir von unserem Partner nicht den Himmel auf Erden erwarten können. Eine Erkenntnis, die weh tut, aber auch befreit.
Nachdem die Diener die sechs Krüge gefüllt haben, bringen sie wie damals üblich das Wasser zum Vorkoster. Und auf einmal ist aus dem Wasser Wein geworden. Ein Wunder der Verwandlung. Eine andere Art von Liebe, die auch unsere Gebrochenheit aushält und dennoch köstlich schmeckt
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