SWR3 Gedanken

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Sie hätten sich gewundert, die Jakobiner und Girondisten
und die anderen Revolutionäre des 14. Juli 1789 in Frankreich;
sie hätten sich gewundert, hätte ihnen jemand gesagt,
dass ihr Schlachtruf doch eigentlich ziemlich katholisch ist.
Gleich nach König und Adel
war schließlich die Kirche mit ihren Privilegien
ein Hauptziel des Volkszorns, der sich im Sturm auf die Bastille austobte.
Aber das lag wahrscheinlich daran, dass die Kirchenleute
einfach ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatten.
Über die Jahrhunderte hatten Priester und Bischöfe einfach vergessen,
dass sie anders zu sein hatten
als die Hofschranzen und Mätressen in Versailles.
Und ihre Theologie hatten sie auch nicht gelernt.
“Liberté – égalité – fraternité – Freiheit Gleichheit Geschwisterlichkeit“:
der Schrei des Volkes musste sich gegen eine solche Kirche richten.
Dabei hätte sie ihn längst selbst auf ihre Fahnen geschrieben haben sollen.
Fangen wir bei der Geschwisterlichkeit an -
für Jesus ist sie geradezu ein Kennzeichen der Menschen,
die mit ihm auf dem Weg sind.
„Ihr seid untereinander alle Brüder und Schwestern,
und nur einer ist euer Lehrer.“
Wenn das nicht klar und deutlich war…
Und da spricht er auch schon die Gleichheit an, die égalité:
Keines unter den Geschwistern ist gleicher als die anderen.
Oder, wie Apostel Paulus das auf seine Gemeinde anwendet:
Niemand soll sich wichtig machen oder sich etwas einbilden.
Kommt nicht alles, was du hast, von Gott?
Wie kannst du damit angeben, als hättest du es von dir selbst?
Und mit der Freiheit schließlich fängt die Bibel überhaupt an.
Der SchöpferGott schafft die Götter ab, die die Menschen unterdrückt hatten.
Gott befreit sein Volk aus der Unterdrückung in Ägypten.
Und Jesus befreit uns alle vom endgültigen Tod…
Freiheit – Gleichheit – Geschwisterlichkeit:
ein ziemlich christliches Programm.
Beide Seiten wussten das nicht, damals, am 14. Juli –
und so hätte der Sturm auf die Bastille
beinah auch das Christentum weggeblasen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=1696
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