SWR4 Abendgedanken

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Schwarzer Peter. Das ist eines der beliebtesten Kinderspiele. Mit Begeisterung haben wir es als Kinder gespielt. Die Karten wurden gemischt, verteilt, und dann musste jeweils der Nachbar eine Karte ziehen und seinen Nachbarn wiederum eine Karte ziehen lassen. Jeder war bemüht, die Karten, die zusammengehören, zu sammeln und abzulegen. Doch eine Karte war der Schwarze Peter. Diese Karte wollte keiner haben. Jeder versuchte, sie so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Wer sie zuletzt in der Hand behielt, der hatte verloren.
Inzwischen weiß ich: Schwarzer Peter spielen nicht nur Kinder. Erwachsene spielen das Spiel oft mit noch raffinierteren Methoden. Sie spielen es allerdings ohne Karten. Sie geben den Schwarzen Peter weiter. Damit meine ich: Sie schieben die Schuld lässig dem anderen zu. Sie behaupten, er sei im Unrecht, der Fehler liege bei ihm.
Bereits auf den ersten Seiten der Bibel wird von diesem Spiel berichtet. Adam und Eva spielen es auf ihre Weise. Als Gott Adam fragt, warum er von der verbotenen Frucht gegessen hat, antwortet der: „Eva hat mir davon gegeben.“ In seinen Worten schwingt sogar ein kleiner Vorwurf Gott gegenüber mit. Er sagt: „Die Frau, die du mir gegeben hast!“ Und Eva antwortet auf dieselbe Frage, die Schlange hätte sie verführt. Einer schiebt die Schuld dem anderen zu. Niemand will es gewesen sein. Heute sagen viele: Die Umstände sind schuld, oder die Verhältnisse. Manche beschuldigen ihre Eltern, die Schule oder auch die Gesellschaft, je nachdem.
Wie kommt man aus diesem Schwarzen-Peter-Spiel wieder heraus?
Im Vaterunser heißt es: „erlöse uns vom dem Bösen.“
Ich verstehe diesen Satz so: Ich will nicht länger mitmachen beim Schwarze-Peter-Spiel. Es tut mir und den anderen nicht gut, wenn wir uns gegenseitig die Schuld zuschieben. Dann verbrauche ich meine Kräfte damit, aufzupassen, dass nichts an mir hängen bleibt. Aber Gott selbst kann mich befreien, meine eigene Schuld zu sehen und sie einzugestehen. Ja, er befreit mich sogar von meiner Schuld, sagt die Bibel. Dann kann ich neu anfangen und es besser machen.
Ich finde, das ist ein befreiender Gedanke.

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