SWR2 Wort zum Tag

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„Was zählt – Brief an meine Kinder“. Nach dem unerwartet frühen Tod der Theologin Dorothee Sölle im Jahr 2003 erschien die Sondernummer einer Zeitschrift mit dem Titel: „Eine feurige Wolke in der Nacht.“ (Publik - Forum Extra, Oberursel) In diesem Heft finden sich Beiträge von Freundinnen und Freunden der Verstorbenen, wie auch Texte, in denen Dorothee Sölle selbst von ihren persönlichen Lebenserfahrungen spricht.
Besonders angesprochen hat mich der Text, der diese Überschrift trägt: „Was zählt - Brief an meine Kinder“. Dorothee Sölle sagt, dass es auch für sie als Professorin der Theologie nicht leicht war, an ihre Kinder weiterzugeben, was ihr im Laufe ihres Lebens am christlichen Glauben wichtig geworden war. „Vergesst das Beste nicht“, so die Mutter an ihre Kinder. „Meine Schätze kann ich euch nicht einfach vermachen. Gott lieben von ganzem Herzen, mit aller Kraft, aus ganzem Gemüte - in einer Welt voller Traditionsbrüche -, das kann man nicht wie ein Erbe weitergeben. ... Aber - organisierte Religion hin, organisierte Religion her – ich wünsche mir, dass ihr alle ein bisschen fromm werdet. Vergesst das Beste nicht! Ich meine damit, dass ihr Gott manchmal lobt, nicht immer – das tun nur Schwätzer und Höflinge Gottes -, aber doch manchmal, wenn ihr glücklich seid, so dass das Glück ganz von selbst in die Dankbarkeit fließt.“ (Ebd. 21)
Für Dorothee Sölle waren die Psalmen als persönliche und gemeinschaftliche Gebete im Laufe der Jahre immer wichtiger geworden. Darum ihre Frage: „Wie kann man heute – im 21. Jahrhundert – die alten biblischen Psalmen beten in einem ganz anderen Lebens- und Wissenshorizont, in einem ganz anderen Bewusstsein?“ Und sie schlägt vor: „Findet euren eigenen Psalm. Das ist eine Lebensaufgabe. ... Psalmen sind Gebetsformulare, du sollst sie ausfüllen. Ein Formular, das ist ein Ding, in das du deinen Namen reinschreibst, dein Geburtsdatum, deine Adresse, und so möchte ich euch alle bitten, dass ihr da, wo (im Psalm) „meine Seele“ steht, (z.B. meine Seele dürstet nach dir, o Gott; oder: Lobe den Herrn meine Seele); dass Ihr überall da euren Namen einsetzt, von Adelheid bis Zwetlana und von Anton bis Xaver, und das ist natürlich nur der Anfang. ... Der Psalm ist ein Formular, und du sollst deinen Namen eintragen und deinen Schmerz, deine Freude und dein Glück und deine Ängste und deine Erde und deine Bäume und alles, was du liebst.“ (Vgl. CiG 52 (2006) 431)

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