Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Ich bin Gott“. Im ehrwürdigen Dom zu Köln ist vor einigen Wochen eine Studentin mit nacktem Oberkörper auf den Altar gesprungen. Während des Gottesdienstes. Und sie hatte eine Botschaft, die war ihr auf den Leib geschrieben, genauer: auf ihren nackten Oberkörper. Da stand nämlich auf Englisch: ich bin Gott.
Damit hat sie natürlich den Gottesdienst gestört und Menschen in ihren religiösen Überzeugungen verletzt. Das hat sie einfach in Kauf genommen.
Und jetzt frage ich mich: ist es das wert? Und was will sie damit eigentlich sagen?
Die Studentin hat es in einem Interview so erklärt: sie selbst bestimme über ihren Körper und lasse sich von niemandem etwas vorschreiben, schon gar nicht von der Kirche. So sei sie sozusagen ihr eigener Gott. – Mal abgesehen vom peinlichen Auftritt trifft diese Vorstellung sicher ein Stück des Lebensgefühls vieler. Autonom und unabhängig – wer will das nicht sein! Und wehe, jemand will uns sagen, wie wir zu leben haben. Das kommt nicht gut an, auch dann nicht, wenn es im Namen Gottes geschieht.
Wenn ich die Argumente der Studentin höre, schmerzt mich das. Weil sie dieses schier unausrottbare Urteil vor sich herträgt, dass Gott uns gängeln und kleinhalten will – und die Kirche gleich mit.
Die Bibel spricht da eine andere Sprache: da ist Freiheit ein zentrales Wort. Die Bibel erzählt immer wieder davon, dass Gott Menschen ermutigt und begleitet, ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen. Gott wird sogar Mensch. Nur um zu zeigen, wie ernst er uns nimmt, wie nah er uns sein will.
Und deshalb gehören wir zu Gott. Er hat sich mit uns Menschen so sehr verbunden, dass wir in jedem Menschen etwas von Gott sehen können.
Ganz falsch liegt die Studentin mit ihrer Botschaft „Ich bin Gott“ also nicht. Schade, dass sie nur über ihre eigene Freiheit nachgedacht hat und nicht über die Freiheit und Würde der Menschen im Gottesdienst, den sie gestört hat. Wir alle gehören zu Gott, sind seine Kinder. In jedem von uns ist Gott. Deshalb hat meine Freiheit Grenzen, damit auch mein Mitmensch frei ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16877
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