Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wenn sich der amerikanische Präsident auf Reisen begibt, dann hat er grundsätzlich ein Zelt dabei. Das wird dann in einem der Zimmer, in denen er wohnt, aufgebaut. Es ist blickdicht und macht ständig Geräusche. Dort soll Barack Obama dann abhörsicher telefonieren können. Es gibt Bilder, die zeigen ihn, wie er unter der blauen Folie sitzt, den Telefonhörer in der Hand. Die Botschaft passt zum europäischen Datenschutztag. Der ist heute und will die Menschen in der Europäischen Union daran erinnern: Schützt eure Daten! Achtet darauf, dass ihr nicht wildfremden Menschen zu viel von euch preisgebt! – Das ist edel gedacht, aber nach allem, was wir heute wissen, auch etwas naiv und weltfremd. Denn der Geheimdienst des Präsidenten mit dem blauen Zelt hört schließlich mit, jederzeit und weltweit, ob wir wollen oder nicht. Und wer weiß, wer noch alles seine Nase in unsere Computer, Handys, Smartphones und Festnetzanschlüsse steckt.
Ich will nicht, dass meine Regierung im Gegenzug den amerikanischen Präsidenten abhört. Egal, mit wem der über was redet. Ich wünsche mir, dass Schluss ist mit der Schnüffelei und  dem Ausspionieren und dass alle sich wieder an das alte Sprichwort erinnern: Der Lauscher an der Wand hört seine eigne Schand. Denn nicht jeder kann sich ein abhörsicheres Zelt leisten.
Das war schon zu Zeiten des Mose vor 3000 Jahren so, wie die Bibel erzählt. Als Mose mit den Israeliten durch die Wüste zog, hatten sie auch ein Zelt dabei – das Zelt der Begegnung mit Gott. Bei jeder Rast wurde das Zelt aufgebaut. Sooft Mose beten und mit Gott reden wollte, ging er in das Zelt. Abhörsicher nicht durch eine aufwendige Technik, sondern durch das Verhalten der Israeliten: Die drängelten sich nämlich nicht an das Zelt, um ja etwas von den göttlichen Ratschlägen mitzukriegen. Sie achteten die Privatsphäre. Weil sie Respekt hatten vor Moses Gespräch mit Gott, hielten sie einen gehörigen Abstand. Weil es sich gehört, dass man nichts hört. Nicht immer neue Sicherheitsvorkehrungen schützen die Privatsphäre. Die Privatsphäre wird geschützt durch die Übereinkunft aller, den Nächsten nicht auszuspähen. Wer Anstand hat, hält Abstand.

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