SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Manche Tage sind einfach schrecklich. Ich hetze von einer Aufgabe zur nächsten. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken, was ich alles noch zu erledigen habe. Andauernd bin ich damit beschäftigt zu prüfen, ob ich wirklich nichts vergesse. Da helfen auch die vielen Merkzettel und Erinnerungs-emails kaum. Wenn dann noch dazu kommt, dass nichts so klappt, wie ich mir das einbilde, dann ist der Tag für mich gelaufen. Am Abend komme ich frustriert heim. Meine Laune liegt am Boden. Und ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen. Jetzt wäre die Gelegenheit zur Entspannung, beim Schwimmen oder am Herd. Ich könnte ins Kino gehen. Aber dazu habe ich jetzt erst recht gar keine Lust mehr. Nach so einem schrecklichen Tag.

Wenn das häufiger vorkommt – bei Ihnen vielleicht auch – dann ist es höchste Zeit, einmal genauer unter die Lupe zu nehmen, was da eigentlich passiert.

Ein schrecklicher Tag. Was bitte schön soll an einem Tag schrecklich sein? Gut, es kann vorkommen, dass mehrere ungünstige Ereignisse zusammen kommen. Dafür brauche ich dann ein bisschen mehr Geschick, um die zu koordinieren. Aber den Tag an und für sich, und wie er verläuft, das habe ich doch selbst in der Hand. Also muss ich anschauen, wie ich mich aufführe, was ich mache, wie ich bin. Wenn der Tag schrecklich war, bin immer ich ungeduldig gewesen. Ich habe mir zu viel vorgenommen, so viel, dass von vornherein klar ist, dass ich das gar nicht bewältigen kann. Und, wahrscheinlich mein Hauptproblem: Ich bin zu streng mit mir gewesen. Ich wollte alles 100% machen, perfekt dastehen vor den anderen und vor mir selbst.

Ich glaube, das ist der Knackpunkt. Ich empfinde einen Tag dann als schrecklich, wenn ich wieder einmal besser sein wollte als ich bin. Am Abend fliegt dann der Selbstbetrug auf: Ich bin halt so wie ich bin. Nicht hundertprozentig! Sondern meistens bloß achtzigprozentig. Aber ich wollte mich ja nicht mit weniger zufrieden geben. Genau diese Anstrengung für die letzten 20%, die macht mich kaputt, und ruiniert so manchen Tag. 

An manchen Tagen bin ich einfach schrecklich. Ich weiß. Und schon das Wissen, dass ich selbst schuld daran bin, tut gut. Es sind noch 20 Prozent übrig. Die fehlen. Aber das macht nichts. Sie dürfen fehlen. Sich selbst gegenüber barmherzig zu sein, tut gut. Probieren Sie’s mal.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16856
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