SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Heute ist der Todestag einer großen, geradezu übermächtigen Persönlichkeit. Karl der Große starb am 28. Januar des Jahres 814. Vor genau 1200 Jahren also. Wenn ich jetzt daran erinnere, geht es mir aber nicht darum, seine Leistungen als erster deutscher Kaiser zu würdigen. Mich interessiert die eigenartige Verbindung von Macht und Kirche, die sich an ihm ablesen lässt. Das ist bis in unsere Tage hinein ein aufregendes Thema, das viel Zündstoff in sich birgt.

Darf die Kirche die gleichen Instrumente benützen, um ihren Einfluss deutlich zu machen wie die Welt um sie her? Jesus hat unentwegt von den anderen Spielregeln im Reich Gottes gesprochen. Er wollte kein König von dieser Welt sein. Vor allem was Gewalt ausübt über Menschen, hat er mit Nachdruck gewarnt. Wie passt das zusammen mit dem Gehabe, das die Kirche oft an sich trägt? Das sind Fragen, die mich in diesem Zusammenhang beschäftigen.

Karl der Große tritt als sechsjähriger Junge zum ersten Mal dem Papst gegenüber. Er erlebt dabei eine ungeheure Inszenierung: prunkvolle Gewänder, einen überwältigenden Gesang, seinen Vater, wie er sich vor dem Papst zu Boden wirft, als König. Das muss den Knaben tief beeindruckt haben. So tief, dass er nicht Ruhe gegeben hat, bis er selbst zum Kaiser gekrönt wird. Vom Papst. Am Weihnachtstag des Jahres 800 in Rom. Allein dieses Datum spricht eine überdeutliche Sprache. Wie Jesus von Gott in die Welt gesandt ist, so versteht Karl sich auch. Als König der Franken will er nicht nur ein Herrscher dieser Welt sein. Nein, er hat seinen Auftrag direkt von Gott. Und der Papst, das Oberhaupt der Kirche, der Stellvertreter Gottes auf Erden, muss ihm das zusagen. 

Für Kaiser Karl den Großen war der Glaube ein Instrument der Herrschaft. Er sagt, was gemacht wird, und seine Legitimation dazu bezieht er von Gott selbst. Diese Konstruktion verlangt von der Kirche eine große Verantwortung. Sie spricht ihr aber auch unheimlich viel Macht und Einfluss zu. Unangemessen viel, wie ich finde, wenn ich mir vor Augen führe, wie skeptisch Jesus allen Formen irdischer Herrschaft gegenüber stand. Ich bin mir sicher: Diese Allianz zwischen Kaiser und Papst hätte Jesus abgelehnt. Er hätte sie gerade nicht heilig gefunden, wie es damals der Fall war. Wenn ich mich nicht irre, wirft das auch ein Licht auf so manche weltliche Inszenierung kirchlicher Macht in unseren Tagen. Und der aktuelle Papst Franziskus scheint das genauso zu sehen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16855
weiterlesen...