SWR4 Abendgedanken

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Bei Kriminalromanen ist es wie im richtigen Leben: Wenn Charakterköpfe beteiligt sind, wird die Sache echt spannend. Polonius Fischer ist so ein Exemplar. Ein Kriminalkommissar der besonderen Art. Er war nämlich in seinem ersten Leben Benediktinermönch. Bis ihn die Zweifel an Gott und seiner Lebensform aus dem Kloster getrieben haben. Das bemerkt man jedoch dank der Erzählkunst des Autors, Friedrich Ani, erst nach und nach. Fischer arbeitet imMorddezernat München. Er verrichtet dort seinen Dienst wie alle übrigen auch. Beinahe. Denn immer wieder blitzen kleine Eigenarten auf, die im Laufe der Zeit das Bild eines ungewöhnlichen Polizisten zeichnen, eines Charakterkopfes eben. Dazu eines Menschen, bei dem der Glaube an Gott auf ungewöhnliche Art und Weise zum Tragen kommt. Und das macht ihn für mich außergewöhnlich charmant und interessant. 

Beispielsweise hat Fischer einen eigenen Raum für Verhöre, der nur ihm zur Verfügung steht. Als er ins Dezernat kommt, hat er sich das als Bedingung erbeten – und bekommen. Nur ein Tisch und ein Stuhl. Fischer steht. So wie die Protokollantin im Hintergrund. Ein Kruzifix hängt dort an der Wand, das bei Bedarf, wenn der Gesprächspartner es wünscht, abgehängt wird. Ach ja: Kommissar Fischer macht keine Verhöre, sondern führt Gespräche, betont er. Und er führt sie auf eigentümliche Art, klug und konzentriert, konsequent und kunstfertig. Wenn es ihm nötig erscheint, zitiert Fischer einen Psalm, auswendig, wie es sich für einen gehört, der früher Tag für Tag diese alten Gotteslieder gesungen hat. Mehr und mehr wird dem Leser dabei klar, wie er seine Arbeit versteht und welche Interessen ihn leiten. Ich beginne zu ahnen: Diesem Mann geht es um Wahrheit und er sucht nach Gerechtigkeit. 

Es hat eine Weile gedauert, bis ich begriffen habe, was mich an dieser Romanfigur fasziniert. Es ist nicht die Tatsache, dass da einer etwas mit der Kirche zu tun hat und fromme Sprüche daher sagt. Nein, es ist das Schüchterne, das Selbstverständliche, das er dabei ausstrahlt. Kommissar Fischer geht nicht mit seinem Glauben hausieren. Und doch spüre ich, dass er alles beeinflusst, was dieser Mensch tut. Und dass das zum Wohl anderer ist: der Verbrecher, der Mörder, der Opfer, der Toten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16854
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