SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Amalia ist zweieinhalb Jahre alt und mein Patenkind. Für ihr Alter ist sie manchmal schon sehr keck und ziemlich schlau. Und sie trifft manches auf den Punkt, wie ich finde. So war es auch, als sie mich das letzte Mal besucht hat. Wir saßen gemeinsam am Mittagstisch, es gab Würstchen mit Kartoffeln und wir haben es uns schmecken lassen. Irgendwann habe ich in die Runde gefragt: „Und, was ist euer Lieblingsessen?“
Die ältere Schwester von Amalia zählt auf, Spaghetti, Schnitzel und Linsen mit Spätzle. „Und deines Amalia?“, frage ich.
Sie antwortet blitzschnell und strahlend und für ihr Alter ungewöhnlich redegewandt: „Mein Lieblingsessen ist das, was vor mir auf dem Teller liegt. Würstchen mit Kartoffeln.“ Ich war wirklich platt. So einen wohltuenden Satz aus dem Mund einer Zweieinhalbjährigen habe ich nicht erwartet. Das war Lob für das Essen und unser Zusammensein in einem.
Für Amalia ist es schön, wenn wir alle gemeinsam um den Tisch sitzen, miteinander essen und reden. Das ist ein schönes Ritual, das sie auch von ihrer Familie zu Hause kennt. So was schmeckt ihr einfach.
Hinter so einer Aussage steckt aber darüber hinaus viel Dankbarkeit. Hier und jetzt geht es mir gut und dafür bin ich dankbar. Einen vollen Teller auf dem Tisch vor sich zu haben, ist nicht selbstverständlich. Das weiß Amalia.
Und noch etwas kommt hinzu. Kinder leben im Hier und Jetzt. Mehr als Erwachsene,wie ich finde. Meistens bin ich mit meinen Gedanken schon ein paar Kilometer weiter. Ich überlege was ich als Nächstes machen und noch schnell erledigen will. Manchmal beobachte ich mich dabei, wie ich vom Tisch mehrmals aufstehe und noch dies und jenes hole. Und dann überlege ich, ob ich doch lieber etwas anderes gekocht hätte für den Besuch.
Amalia zeigt mir, wie es geht: Der Moment zählt. Was jetzt ist und selbst wenn etwas fehlt, wir machen das Beste daraus.
Als Amalia nach dem Essen durch die Wohnung spaziert, schenkt sie mir noch eine Lektion: Alles, was sie entdeckt, gefällt ihr außerordentlich. „Oh, ist das Buch schön. Oh sind die Blumen schön.“
Dieser Blick für das Schöne und Gute, wie sie Dinge und Menschen liebevoll ansieht, das gefällt mir an Amalia. Ich lerne daraus für mich, dass es wichtig ist, diesen wertschätzenden Blick im Alltag für mich und andere zu entdecken und zu pflegen. Auch wenn es nur ab und zu ein einfaches Danke ist. Es steckt ein großer Gedanke dahinter. Danke Amalia.

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