Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Vor Weihnachten zählt man die Tage, nach Weihnachten kaum mehr.
Dabei sind es erst 20 Tage. Die ersten Tage eines Babys, die werden von den Eltern meist noch genau gezählt.
Das Jesusbaby, was ist mit dem heute, 20 Tage nach seiner Geburt, der holde Knabe mit lockigem Haar, wie es im Weihnachtslied heißt? Die ersten schlaflosen Nächte für die frisch gebackenen Eltern? Die Stallidylle wird langsam nervig. Die Tiere stinken, das Kind auch.
Und das Kind schreit und hat Bauchweh wie jedes andere Kind.
Maria mit Ringen unter den Augen, das wäre das Bild dieser Tage. Von den Gefahren durch den König Herodes ganz zu schweigen.
Von Jesus hören wir in den Jahren nach seiner Geburt relativ wenig. Eine Geschichte erzählt von ihm, wie er mit 12 Jahren im Tempel auftaucht, aber der Alltag vorher?
Es gibt ein Bild von Max Ernst aus dem 20. Jahrhundert, das heißt „Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind“.
Maria -  nicht hold lächelnd, sondern mit erhobenen Arm gegen den unartigen Sohn. Wer nicht hören will, muss fühlen.
Schlimme Erziehungsmethode, aber in diesem Bild wird nicht die Frage gestellt: „Wie darf man erziehen?“ Sondern es geht um die Frage: War denn die heilige Familie eine ganz normale Familie - oder nicht?  Jesuskind hin oder her –
er war wohl ein ganz normaler Junge mit ganz normalen Trotzphasen,
der seine Eltern regelmäßig in den ganz normalen Wahnsinn getrieben hat.
Manche mögen das Bild schlimm finden – ich finde es auch tröstlich. Wenn Gott schon Mensch geworden ist, dann bitte richtig.
Mittendrin in dem ganzen Chaos und Salat, der 20 Tage nach so einer Geburt den Eltern zu schaffen macht-Weihnachten hin oder her- es ist wieder ganz normaler – aber trotzdem mit Gott.
Ist das nicht was Besonderes, wenn sich Gott in die Tiefen unseres Menschseins begibt? Dass Gott unsere Not kennt und ihn das nicht kalt lässt?
Ganz schön tief lässt er sich zu uns herab - in die Tiefen von überforderten Eltern oder zerbrochenen Beziehungen, in die Tiefen unerfüllter Träume oder in die Mühen des Alters. Überall ganz normaler Alltag, aber mit Gott. Und daher nie ohne Hoffnung.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16777
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