SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

An kalten Wintertagen schaue ich gerne Urlaubsfotos vom Sommer an. Das wärmt mich wenigstens innerlich etwas auf. Ein Foto finde ich besonders lustig. Es war ein Schnappschuss meiner Frau. Im Allgäu an einer der vielen Kapellen, mitten auf einer saftigen Wiese. Drumrum viele Kühe mit Glocken um den Hals. Auf dem Bild knie ich auf einer Bank und schaue auf eine Statue: Jesus mit Kreuz. Mein zweijähriger Sohn Fred kniet neben mir, weil er dem Papa noch alles nachmacht. Kurz zuvor muss es ihm gelungen sein, mein Handy aus der Tasche zu stibitzen, denn er hält es sich lachend ans Ohr. Und sein Blick geht, auch ganz der Papa, zur Jesus-Figur. 

Es sieht so aus, als ob Fred versucht, per Handy Kontakt zu Jesus aufzunehmen. Wenn ich bete, dann ist das ganz ähnlich wie ein Telefonanruf bei Jesus. Ich kann einen dringenden Grund haben, anzurufen. Zum Beispiel, wenn es mir schlecht geht. Dann bitte ich darum, dass es irgendwie bergauf gehen möge. Oder wenn ich mal wieder richtig abladen muss: „He Jesus, im Moment stinkt es mir gewaltig. Die Welt ist so ungerecht – und ich mittendrin und so verloren!“ 

 Ich kann aber auch ganz absichtslos anrufen, einfach mal so zwischendurch einen kleinen Lagebericht abgeben: „Du hör mal Jesus, ich bin gerade hier im Urlaub. Wetter gut, Erholungsfaktor hoch, weiter so!“ Oder der berühmte Dankesanruf. „Hallo Jesus, danke dafür, dass die Sache mit Andreas so glimpflich abgelaufen ist.“ 

Beten kann vielfältig sein: Ich darf bitten, danken, anklagen, jammern, Freude teilen. Und das Urlaubsfoto mit Fred hat mir deutlich gemacht: Beten ist ein bisschen wie Telefonieren mit Jesus. Es gibt allerdings einen kleinen Nachteil: Um die Antworten zu hören, brauche ich etwas Fantasie und viel Vertrauen in meine Interpretation. Aber ich finde, der Vorteil überwiegt: Jesus ist immer erreichbar.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16762
weiterlesen...