SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ein Blick kann manchmal sehr viel sagen. Zum Glück ist das so, denn es gibt ja Situationen, da ist ein schneller Durch-Blick hilfreich.
Einmal im Gottesdienst war das so:
Ich verlese zum Gedenken die Namen von Verstorbenen. Konfirmanden zünden Kerzen dazu an. Mitten im Verlesen fällt mir auf: Ein Konfirmand fehlt. Gleich wird der nächste Name kommen, und Tim, der dazu eine Kerze anzünden soll, ist nicht da. Wie soll es nun weitergehen? Ich schaue in die Reihe der Jugendlichen, die für diesen Dienst gar nicht eingeteilt sind. Und kriege Blickkontakt mit Franziska. Ein kleiner Wink, ja eigentlich nur ein Blick - und sie hat verstanden. Ohne Worte.  Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, steht sie auf und übernimmt die Aufgabe von Tim. Reibungslos geht das Kerzenritual von statten. Ist es nicht erstaunlich, was so ein Blickkontakt für eine Größe haben kann? Erleichtert schicke ich Franziska noch einen dankbaren Blick hinüber.
Am Ende des Gottesdienstes wird immer ein Segen gesprochen. Und als es darin heißt „Der Herr lasse sein Angesicht leichten über dir“, geht mir durch den Kopf, dass damit ja gemeint ist, dass Gott mich ansieht. Dass er Blickkontakt mit mir aufnimmt. Und dass er mit einem Blick im Bild ist. Dass er mich versteht, dass er sieht, was mit mir los ist, was mir hilft. Oder dass ich mit einem Blick mit ihm verbunden bin, dass ich mit einem Blick erkenne, dass Gott mich versteht. Oder dass ich mit einem Blick, den ich in meinem Innern auf ihn richte, alles sagen kann, wie es um mich steht oder was los ist bei mir. Diese alte Segensformel sagt mir: Schau auf Gott, und er versteht.
So wie das manchmal auch bei den Menschen klappt. Zum Beispiel bei Franziska, die gleich gewusst hat, was zu tun war. Zu meiner großen Erleichterung. Mit einem Blick.

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