Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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ICH BIN DEMENT, NA UND? Als ich diese Zeile auf der Homepage von Helga Rohra entdeckte, war ich wirklich verblüfft. Frau Rohra schreibt dann weiter: „die Diagnose war für mich der Anfang eines neuen Lebens. Ich trete aus dem Schatten und spreche für uns Frühbetroffene. Früher habe ich Sprachen gedolmetscht, heute dolmetsche ich die Gedanken und Gefühlswelten von uns für die Gesunden, die Menschen ohne Demenz“.

Ehrlich gesagt finde ich das toll. Bei Demenz denke ich normalerweise an ältere Menschen, die nicht mehr Herr über ihr Leben sind, in allem auf Hilfe angewiesen. Es gibt aber viele Spielarten der Demenz. Bei Helga Rohrer wurde mit 54 Jahren die sogenannte Levi-Body-Demenz festgestellt. Da schlägt die Krankheit nicht so sehr auf das Gedächtnis, sondern die Patienten haben hauptsächlich optische Halluzinationen: Helga Rohra sitzt im Gespräch jemandem gegenüber, gleichzeitig sieht sie sich selbst auf der Straße laufen, und das gleich mehrmals: als Kind, als junge Frau, mit ihrem Sohn zusammen. So viele Eindrücke gleichzeitig kann das menschliche Gehirn nicht verarbeiten, klar, dass jemand dann verwirrt wirkt. Dabei war sie früher Dolmetscherin auf wissenschaftlichen Tagungen und Kongressen, sprach 5 Sprachen und war sehr gebildet. Heute spricht sie auf Kongressen zum Thema Demenz als Expertin über ihr Motto: redet mit uns, nicht über uns.

Im Alltag bestehen ist allerdings nicht immer leicht. Der Sohn schneidet ihr zum Beispiel die Bilder von Waren aus den Werbeprospekten aus und klebt sie in der Reihenfolge, wie die Sachen im Geschäft liegen, auf einen Zettel. So kann sie allein einkaufen gehen, selbständig bleiben.

Einen Gedanken von Helga Rohrer will ich nicht vergessen: sie sagt: was wir Gutes tun wollen, müssen wir heute tun. Was morgen ist, können wir nicht wissen. Das geht mir natürlich auch so und ich werde versuchen, ebenso zu handeln.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16708
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