SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wir sprechen von der Zeit zwischen den Jahren. Und meinen die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr. Ein Zwischenraum, in dem das alte Jahr zu Ende geht wie eine lange auslaufende Welle. Und das neue noch in einiger Entfernung liegt.
Es ist ein bisschen so, als befände man sich auf einem Schiff, das vom Festland abgelegt hat und nun langsam Kurs nimmt auf eine Insel. Das Festland entzieht sich allmählich dem Blick. Bald sieht man nur noch die Spitze eines Kirchturms. Und dann ist auch dieser verschwunden.
Man befindet sich sozusagen in einem Zwischenzustand auf dem Meer. Kein festes Fundament unter den Füssen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis die Silhouette der angesteuerten Insel in Sicht kommt.
Solche Phasen im Leben sind wichtig. Denn wo Zwischenraum ist, dort ist Abstand. Abstand verhindert, dass es in meinem Leben zu eng wird. Er schenkt Zeit zum Entspannen. Gelegenheit zum Träumen. Bewegungsfreiheit. Im Dazwischen gewinne ich Distanz zu dem, was mich auf Dauer einengen und bedrängen würde.
Darum ist es sinnvoll eingerichtet, dass wir nicht nur in Räumen leben. Sondern auch von Zwischenräumen. Sie machen uns die Über-gänge deutlich, in denen wir uns bewegen. Von einer Lebensphase in eine andere. Von einem Jahr zum anderen. Von einem Leben in ein anderes Leben.
Dietrich Bonhoeffer hat diesen Zwischenraum zwischen alt und neu in seinem Neujahrslied von den guten Mächten, die uns umgeben, angesprochen: „Noch will das alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last. Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das du uns geschaffen hast“, heißt es darin.
Solche Übergangssituationen, Passagen zwischen dem Alten und dem Neuen, waren von jeher Orte des Gebets und des Segens. Auf dass der Abschied gelinge und die Ankunft sich segensreich gestalte. Damit wir den Zwischenraum bald auch getrost wieder verlassen dürfen und heil ankommen am neuen Ufer.
Dafür haben Menschen zu allen Zeiten um Segen gebetet. Die biblischen Gestalten genau wie die Menschen der Gegenwart. Die Urväter und Urmütter der Bibel genauso wie manche Väter und Mütter heute, die ihre Kinder in eine unbekannte Zukunft entlassen.
Und auch ich bitte zwischen den Jahren um diesen Segen - für Sie und für mich. Damit wir heil ankommen im Neuen Jahr und es ein gutes und gesegnetes wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16679
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