Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Mein Onkel hasst den Tag heute. Heute geht er nicht aus dem Haus. Zumindest nicht in Uniform. Denn gerade heute wollen die Leute ihn anfassen, ihm die Hand geben. Mein Onkel möchte aber nicht angefasst werden. Nur weil er Schornsteinfeger ist.
Schornsteinfeger bringen ja bekanntlich Glück. Ich kann verstehen, dass die Leute ihn gerade heute anfassen wollen. Wenn man heute einen Schornsteinfeger anfasst, dann bringt das Glück im neuen Jahr, sagt man.
Das hätte ich auch gern. Ich bringe das Glück dann zur Bank und lege es auf ein Sparkonto. Dann vermehrt es sich sogar. Und immer wenn ich Glück brauche, hebe ich ein bisschen ab. So kann ich immer Glück haben, wann ich will.
Das wäre schön, aber Sie wissen natürlich, dass das nicht geht. Glück kann man nicht aufheben und ansparen, nicht einmal verdienen. Die Bibel weiß, wo das Glück her kommt:
Gott nahe zu sein ist mein Glück. (Ps 73,28)
Gott und Glück gehören zusammen. Gottes Nähe bedeutet für mich Glück. Ich fühle mich dann ganz leicht. Ich spüre Wärme auf meiner Haut, eine zarte Berührung. Eine wundervolle Begegnung. Ich mache mir keine Sorgen. Ich habe keine Pläne, keine Arbeit, die auf mich wartet. Ich bin ganz bei mir und erlebe diesen einen Glücksmoment als etwas ganz Besonderes. Ich bin zufrieden.
Ich kann diesen Moment nicht machen, kann ihn nicht verdienen. Gott kommt zu mir und findet mich. Seine Nähe bringt das Glück mit.
Mein Onkel kann Ihnen also beim Glück nicht helfen. Aber Sie können ihm vielleicht zum Glück verhelfen. Er ist da recht bescheiden. Glück ist für ihn, wenn er mit einer Tasse Cappuccino in einem italienischen Eiscafé in Kaiserslautern sitzt. Wenn er viele Freunde und Bekannte um sich herum hat, mit denen er schwätzen kann, dann ist das für ihn Glück. Und wenn Sie ihm dann vielleicht ein Gläschen frisch gepressten Orangensaft zum Cappuccino ausgeben, dann hat er wirklich Glück gehabt.

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