SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Kann man als Mann glücklich sein, wenn man begreift: Eigentlich bin ich Durchschnitt, ich bin Mittelmaß.
Kann man als Mann glücklich werden, wenn einem endgültig klar wird, ich bin nicht zu Außergewöhnlichem bestimmt. Ich gehöre zum großen Heer der Normalen, der Unauffälligen, derer die brav ihre Arbeit machen. Ohne dass sie dafür besonders gelobt werden oder gar bekannt. Normalmaß, nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Diese Erkenntnis wird vielleicht gemildert, weil es den meisten anderen Männern genauso geht. Aber hatte ich nicht auch einmal Träume, in denen ich über Mittelmaß hinausgewachsen bin?
Wie kann man glücklich werden, wenn man sich gesteht, hinter diesen Träumen bleibe ich zurück. Ich habe sie vielleicht sogar liegen gelassen.
Vielleicht hilft ein Blick auf einen Mann, der für mich ein Urbild eines Mannes im Normalmaß ist. Josef in der Weihnachtsgeschichte. Der Verlobte von Maria. Kann und darf ich mir Josef als glücklichen Mann vorstellen? Ich glaube, ja.
Aber Josef ist doch kein Mittelmaß, sagen Sie vielleicht, ihn kennt man doch und seine Geschichte. Wenn ich so bekannt wäre. Allerdings, seine Bekanntheit ist geborgt. Man kennt Josef nicht um seiner selbst willen. Er ist der Mann am Rand. Einmal war er in den Nachrichten, medial präsent in der Bibel.
Aber als Mann an ihrer Seite. Und das große göttliche Licht fällt neben ihn, auf den Sohn seiner Frau. Der nicht sein eigener ist. Diese Kränkung bleibt ihm, wie Sie und ich auch unsere Kränkungen in uns tragen. Manche vernarbt im Lauf des Lebens. Aber ab und an schmerzen eben auch die Narben.
Josef bleibt ein normaler Mann. Geht seinem Beruf nach. Sorgt im Rahmen seiner Kräfte. Aber auf der Nachrichtenbühne der Bibel taucht er nach der Geburtsgeschichte nicht mehr auf.
Ich halte ihn dennoch für glücklich. Ich traue Josef nämlich zu, dass er eines jedenfalls verstanden hat. Ich bin vielleicht nichts Besonderes, aber um mich herum geschieht Besonderes. Ich bin Teil von etwas Großem. Ich bin ganz nah dran. Auch über mir öffnet sich der Himmel weit. Und er ist nicht leer, sondern groß. Die große Rolle ist meine nicht. Aber ich bin da in den Niederungen des Alltäglichen. Und auch da ist das Göttliche. Man muss selbst nicht die Lichtgestalt sein, und kann trotzdem zu wissen. Das Licht Gottes ist auch für mich. Ich bin normal und nicht besonders, aber dennoch Teil von etwas Besonderem. Von Gottes Geschichte. Es kommt darauf an, dass ich meine Rolle in der Geschichte annehme. Selbstlose Fürsorge ist ihm wichtiger als selbst groß heraus zu kommen.
Ja, ich stelle mir Joseph als einen glücklichen Mann vor. So normal wie er ist, wie ich und Sie.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16654
weiterlesen...