SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?“ Paul Gerhardts berühmtes Lied, von Bach  für das Weihnachtsoratorium vertont,  trifft eine Alltagssituation. Besuch steht ins Haus, ein besonderer und seltener vielleicht, alles soll möglichst schön sein, die Gäste sollen sich wohl  fühlen. Man möchte ja schließlich ein guter Gastgeber sein. Solch ein Besuch wirft seine Schatten voraus, jede Menge Vorbereitungen wie jetzt in den letzten Adventstagen, das bevorstehende Ereignis hält alle in Bann und auf den  Beinen. Vorfreude ist hoffentlich spürbar. Bei aller Vorbereitung aber bleibt die Überraschung: wird der Besuch gelingen, wird man sich gut verstehen oder   kommt es gar zum Streit? Die Eingangsfrage in Paul Gerhardts  Lied gilt für jeden Besuch; je bedeutsamer der ist, desto drängender die Frage: „Wie soll ich dich empfangen“ Wie kann ich dir gerecht werden? Wird es ein schönes Miteinander?

Klar, es geht Weihnachten nicht um irgendeinen Besuch. Wunderbar erläutert das  Paul Gerhardt  in der fünften Strophe: „Nichts, nichts hat dich getrieben/ zu mir vom Himmelszelt/ als das geliebte Lieben,/ damit du alle Welt/ in ihren tausend Plagen/ und großen Jammerlast,/die kein Mund kann aussagen/ so fest umfangen hast.“  Der weihnachtliche Besucher  hat nur eins im Sinn: „geliebtes Lieben“. Welch glückliche Formulierung des Dichterpfarrers: Liebe ist  immer schön, eine Binsenerfahrung, Gegenliebe noch mehr. Der da kommt, weiß sich offenbar schon geliebt, sonst könnte er nicht so entgegenkommend lieben, so originell und verschwenderisch. Seine Liebe will weihnachtlich erwidert sein, sie soll nicht ins Leere laufen. Deshalb ist die Eingangsfrage so drängend: „Wie soll ich dich empfangen, o aller Welt Verlangen?“ „Geliebt“  ist dieses „Lieben“, denn Jesus bringt es von Gott. Es braucht von unsereinem Gottseidank nicht erst erfunden zu werden. Aber gerade diese Liebe zielt auf Wechselseitigkeit.. Was in seinem Leben österlich geglückt ist, soll überall gelingen, für jedermann und jederfrau. Nicht zufällig rückt damit die Gestalt Marias in den Blickpunkt: sie hat auf Paul Gerhardts Frage die richtige Antwort gegeben , und ist zum Inbild aller Glaubenden geworden. Sie hat  ihn empfangen und sein „geliebtes Lieben“ zur Welt gebracht. Derart empfänglich werden  und Gottes Ankunft  begrüßen,  das macht den weihnachtlichen Besuch hoffentlich unvergesslich – und wirft seine Schatten  voraus.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16602
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