SWR4 Abendgedanken

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„O du fröhliche“. Wahrscheinlich kennen Sie dieses alte Weihnachtslied. In zwei Sätzen bringt es auf den Punkt, was die Christenheit an Weihnachten feiert: „Welt ging verloren. Christ ist geboren.“
Das schlichte Weihnachtslied ist in einer Zeit bitterster Not entstanden. Für viele war wirklich die Welt verloren gegangen.
Die geschlagene große Armee des Kaisers Napoleon ist aus Russland zurückgekehrt. Hungrige, verwahrloste Soldaten  sind über Städte und Dörfer hergefallen. Auch über Weimar, wo damals Goethe lebte, aber auch der Dichter des Liedes: „O du fröhliche“, Johann Daniel Falk.
In Falks Familie waren innerhalb von zwei Monaten vier Kinder gestorben, alle vier noch nicht mal sechs Jahre alt. Auch Falk wird schwer krank. Wieder genesen erkennt er, was Gott von ihm will. Er soll ein Vater der Waisenkinder werden. Das Ehepaar Falk nimmt viele Kinder auf, die durch den Krieg zu Waisen geworden waren. Mit ihnen und einigen tüchtigen Handwerkern bauen sie ein baufälliges und unbewohnbares Haus wieder auf. 200 Kinder haben in diesem Haus eine Heimat gefunden. Falks haben die Kinder angeleitet, dass sie sich füreinander einsetzen. Zum Weihnachtsfest haben die Kinder Hunderte von kleinen und größeren Geschenken gebastelt. Sie wurden auf einen großen Gabentisch gelegt. Jedes Kind durfte sich bei der Bescherung ein Geschenk nehmen.
„O du fröhliche“, hat Johann Daniel Falk für diese Kinder zum Weihnachtsfest gedichtet. Die eingängige sizilianische Volksweise hat er vielleicht bei einem Straßenmusikanten gehört. Dazu sind ihm beim Summen der Melodie die einfachen Sätze eingefallen: „Welt ging verloren. Christ ist geboren. Freue dich, o Christenheit!“ Das haben die Kinder verstanden. „Welt ging verloren“, das haben sie am eigenen Leib erfahren. Und: „Christ ist geboren“, das hat ihnen Johann Daniel Falk erzählt. Der Vater im Himmel hat euch so lieb, dass sein Sohn in diese Welt hineingeboren wurde. Gott lässt uns nicht allein. Er ist selbst arm geworden in dem Jesuskind in der Krippe. Wie sich das anfühlt, das haben die Kinder bei den Falks erfahren. Die sind ihnen zu Vater und Mutter geworden.

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