Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Jedes Jahr Anfang Dezember liegt in meiner Zeitung eine schöne Weihnachtskarte. Darauf steht: „Gesegnete Festtage und alles Gute für das neue Jahr wünscht Ihnen Ihr Zeitungszusteller Alfio Morresi.“ So bringt sich mein Zusteller liebevoll in Erinnerung. Dann rufe ich ihn an, und wir vereinbaren, wann er einmal vorbeikommt – weil ich ihm eine kleine Gabe zu Weihnachten in die Hand drücken möchte. Als Dank für seinen zuverlässigen Dienst. Wenn er in aller Herrgottsfrühe die Zeitung bei mir einwirft, da schlafe ich normalerweise noch. Und wenn ich aufstehe, ist die Zeitung immer schon da. Bei jedem Wetter, bei Eis und Schnee. Aber sie kommt eben nicht angeflogen – da steht ein Mensch dahinter, der seine Arbeit auch für mich tut. Damit ich beim Frühstück die Zeitung lesen kann. Ich denke dabei nicht jedes Mal an den, der sie mir gebracht hat. Aber ich freue mich darauf, dass ich H. Morresi wenigstens einmal im Jahr „Danke!“ sagen kann. Und er freut sich über diese Anerkennung. So gibt es etwas, das uns innerlich verbindet, wenn wir uns ein ganzes Jahr lang nicht mehr sehen.

 Meinen Postzusteller sehe ich öfter. Auch H. Schneider bekommt natürlich ein kleines „Dankeschön!“ zu Weihnachten. Wenn er die Post bringt, bin ich meistens nicht da. Auch mit ihm muss ich am Telefon ausmachen, wie ich ihm meine Weihnachtsgabe überreichen kann. Ab und zu treffen wir uns zufällig, wenn er mit seinem Postkarren in der Stadt unterwegs ist. Dann gönnen wir uns ein kurzes Schwätzchen. Ich habe den Eindruck: H. Schneider ist der geborene Briefträger. Das ist sein Beruf. Ich freue mich, wenn wir uns sehen. Und er sich umgekehrt auch - das hat er mir einmal gesagt.

 Schade, dass immer mehr in unserer Gesellschaft nur noch anonym abläuft. Vieles ist nur noch ein „Geschäftsvorgang“. Die Menschen werden nicht mehr sichtbar, die mit Herz und Hand dabei mitwirken. Für die diese Arbeit ihr Leben ausmacht. Da tut es gut, wenn der unbekannte Dienstleister ein Gesicht bekommt und wenn dadurch eine kleine Brücke von Mensch zu Mensch entsteht. So kommt ein wenig Farbe in den Alltag. So kann auch äußerlich monotone Arbeit innerlich ein Stück Leben werden. Danke für Ihren Dienst, Herr Morresi und Herr Schneider!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16563
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