SWR2 Wort zum Tag

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Advent hat viele Geruchsnuancen
Advent: duftet! Nach Plätzchen und Glühwein, Tannennadeln, Bienenwachs und Nelken und Zimtsternen. Wenn ich Advent denke habe ich sofort diese Düfte in der Nase.
Für mich duftet der Advent. Dabei dürfte es damals im Stall von Bethlehem nicht unbedingt angenehm gerochen haben - jedenfalls für unsere neuzeitlichen Nasen nicht. Maria und Josef stand nach der beschwerlichen Reise aus Nazareth ja keine Dusche und kein Wannenbad zur Verfügung, unbehandelte Schaffelle verströmen einen sehr strengen Geruch und wie eine Horde älterer Männer riecht, die direkt vom Feld kommen, nach tagelanger Arbeit bei Wind und Wetter mit ihren Tieren - das möchte ich mir lieber gar nicht erst vorstellen.
Der einzige, der in diesem olfaktorischen Desaster sicher geduftet hat, war der neugeborene Jesus, einfach, weil alle Neugeborenen gut riechen, finde ich jedenfalls. Sogar ihre vollen Windeln stinken erst einmal nicht solange sie Muttermilch trinken. So kommt mit dem Kind ein Wohlgeruch in eine stinkende Welt, das gilt bis heute.
Denn stinkende Menschen gibt es auch hier in Mainz und überall in den Städten der Welt. Zum Beispiel die Obdachlosen, die auf der Straße leben. Sie riechen sehr streng, oft sind sie auch krank und das dünstet über die Haut aus. Ich bewundere die Ärzte und Schwestern, die auf die Straße gehen und diese Menschen pflegen und anfassen, obwohl die mindestens genauso stinken wie damals die Hirten im Stall zu Bethlehem. Und wahrscheinlich ist das für die Obdachlosen ein Zeichen von Advent, dass es das gibt, Menschen, die sie anfassen, die ihren Geruch dulden können. Gleiches gilt für die Pfleger und Pflegerinnen in Altenheimen, die sich um Menschen kümmern, die oft inkontinent sind. Und wenn diese Pflege liebevoll geschieht, voller Respekt vor diesen gebrechlichen Körpern, die in und mit ihrer Gebrechlichkeit doch von Gott geliebt sind, dann ereignet sich Advent.
Gott riecht, findet die Bibel, die, ganz leibhaftig, so von Gott spricht. Manches riecht er gerne, manches nicht, findet die Bibel. Er riecht nicht gerne Borniertheit, und er riecht gerne wenn Menschen nach seinen Geboten leben. Das wichtigste Gebot ist das der Nächstenliebe. Ich glaube, beides ist ihm ein Wohlgeruch, all die Plätzchen, die Zimtsterne und der Lebkuchen, an denen Kinder und Erwachsene sich in der Adventszeit erfreuen, und die Menschen, die sich einander zuwenden mitten im Gestank der Welt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16550
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