SWR2 Wort zum Tag

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Advent. Diese Wochen laden ein, offen zu sein für den kommenden Gott. Das ist der tiefste Kern des Advents: dass wir offen sind für das Neue, Unerwartete, für das Geheimnis, das sich in dem Wort „Gott“ verbirgt. Advent heißt: in diese offene Zukunft hineingehen und darauf vertrauen, dass uns im Hellen und im Dunklen dieser Zukunft Gott entgegen kommt und nahe ist.

 Vielleicht ist es ungewohnt, den Advent so zu sehen. Vielfach nehmen wir den Advent  allenfalls wahr als die Zeit vor Weihnachten, das immer viel zu schnell kommt und viel zu schnell wieder vorbei ist. Und dann geht es weiter wie immer.

 Theologisch betrachtet ist es mit dem Advent auch ein wenig schwierig. Es ist die Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten, auf das Fest der Menschwerdung Gottes.  Und dann? Sind das Hoffen und die Sehnsucht erfüllt, wenn wir Weihnachten gefeiert haben? Gewöhnlich tauchen wir dann wieder ein in den Kreislauf des alltäglich und Jahr für Jahr sich Wiederholenden. Manchmal zufrieden, manchmal vielleicht auch ein wenig resigniert. Verstehen wir denn jemals, was das heißt: Gott wird Mensch? Nicht nur in einem Stall in Bethlehem will er geboren werden, sondern in mir – so sagt es der Dichter Angelus Silesius einmal. Menschwerdung Gottes – was könnte das bedeuten? Vielleicht dies: In allem, was Menschen erleben, erleiden, was sie freut, was sie erschüttert – in all dem will uns der unfassbare Gott begegnen Gott begegnen in den Menschen, die wir lieben oder die uns belasten. Gott im Glück des eigenen Lebens oder im Glück unserer Nächsten begegnen, aber auch im Unglück von Menschen, sei es nah oder in weiter Ferne. Begegnung Gottes auch in dem, was auf mich zukommt – weithin unvorhersehbar und nur begrenzt zu planen, dunkles und helles Geheimnis zugleich. Gott wird Mensch – das ist nie zu Ende, immer  fordert es heraus, dass ich mich öffne, aus mir herausgehe, auf die Menschen und das Leben zugehe. So gehe ich Gott entgegen, der als tiefstes Geheimnis menschlichen Lebens immer neu auf mich zukommt.

Der Glaube an einen Gott, der als Mensch zu uns kommen und bei uns sein will, macht immer auch unruhig. Es gibt da einen Überschuss an Erwartung, eine  Sehnsucht nach Neuem. Dieser Glaube ermutigt mich, aufzubrechen, ein Leben lang. „O Heiland, reiß die Himmel auf“, so beginnt ein altes und schönes Adventslied. Die unruhige Sehnsucht nach einem offenen Himmel, nach dem Sinn und der Erfüllung unseres Lebens – daran erinnert der Advent. Er weist immer nach vorne: ins Neue und Offene.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16530
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