Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Heute beginnt die Adventszeit, direkt mit dem ersten Advent. Wer einen Adventskranz hat, kann also das erste Licht anzünden - ganz so, wie Millionen andere Christen auf der ganzen Welt. Denn spätestens ab heute erstrahlt es überall im adventlichen Vorweihnachtsglanz.
Wenn ich so zurückblicke:
Die schönsten Weihnachten, an die ich mich erinnere, waren vor meinem elften Geburtstag. Obwohl es da eigentlich gar nicht so weihnachtlich zuging. Ich lebte damals mit meiner Familie in Lateinamerika. Und da war in der Adventszeit  immer grad Hochsommer. Wir liefen in Sandalen rum und kurzen Hosen, und fuhren ans Meer zum Schwimmen.
Damals habe ich von der weißen Weihnacht in Deutschland geträumt:
Von den Lichtern und Kerzen in den Häusern. Von der Dunkelheit ringsum. Und vom Schnee, an den ich mich nicht mehr erinnern konnte.
Meine Eltern hatten nur ein kleines Auskommen, aber das war nicht weiter schlimm. Denn dort lebten fast alle in bescheidenen Verhältnissen; viele waren arm. Als Weihnachtsgeschenk nähte meine Mutter ein altes Kleidungstück für mich um. Und es gab für jedes Kind einen Teller mit Süßigkeiten. Aber nie war ich aufgeregter am Heilig Abend, als in jenen Tagen.
Als wir wieder nach Deutschland zurückkehrten, war ich zehn. Es kam mir vor wie im Schlaraffenland: Da gab es eine Auswahl an Schokolade, davon konnte man nur träumen. Und Spielsachen – so etwas hatte ich noch nie gesehen. Und mein Vater verdiente ein richtiges Gehalt.
Jetzt gab es an Weihnachten große Geschenke: Ich bekam ein Radio, eine Gitarre und einen Schlitten. Ich dachte, ich würde nur so platzen vor Glück. Aber ich musste wehmütig feststellen: Es fühlte sich nie mehr so schön an, wie früher.
Wie kommt das?
Vielleicht, weil man dem Geheimnis von Weihnachten näher ist, wenn es einfach zugeht und bescheiden; wenn man - wie in der Weihnachtsgeschichte -noch etwas spüren kann von ärmlicher Krippe und zugigem Stall. Und von der Hoffnung, die dort im Dunklen geboren wird.
Ja, seither denke ich manchmal: Mir geht´s zu gut. - Nicht, dass ich das beklagen möchte. Aber ich weiß: es kann auch etwas verloren gehen, dabei.

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