SWR2 Wort zum Tag

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Ich lese gern Biografien. Sie geben mir teil am Leben anderer. Ich kann mein Leben ja nur einmal leben und in eine Richtung. Die Biografien anderer zeigen mir ganz und gar andere Optionen – Möglichkeiten, die ich selbst nie verwirklichen kann, die mir bei der Lektüre jedoch auf den Leib rücken.

Das Spannende an Lebensgeschichten ist für mich die Vielzahl ihrer Themen und Wege. Jedes Leben verläuft anders, jedes hat andere Schwerpunkte und Gewichte, verfolgt einen anderen roten Faden. Menschen stellen sich die unterschiedlichsten Lebensaufgaben. Jeder und jede entwirft das eigene Leben auf ganz eigenwillige Weise.

Natürlich finde ich mich in den Lebensgeschichten anderer nicht immer wieder. Manch einer Geschichte kann ich viel abgewinnen, anderen eher weniger. Manche sprechen mich an, ich verspüre Bewunderung oder Respekt vor dem, was geschildert wird. Andere stoßen mich ab, und ich denke vielleicht: Wie kann man sein Leben so vergeuden.

Trotzdem finde ich es spannend, Lebensgeschichten am Ende unter eine Überschrift zu stellen. Und ich frage mich: Was ist eigentlich mein Lebensthema? Welche Überschrift könnte über meiner Geschichte stehen? Welchen Entwurf oder Plan verfolge ich für mein Leben?

Ich habe den Beruf des Pfarrers gewählt. Andere sind Ingenieur, Musiker oder Koch geworden. Ist der Beruf mein Lebensthema? Nur deshalb, weil er – rein quantitativ gesehen – einen Großteil meiner Lebenszeit ausfüllt?

Ich denke, dass das Lebensthema mehr noch von einer Grundhaltung zum Leben bestimmt ist, von einer Sinnbestimmung, die ich für mich sehe und die ich wahrnehme. Das kann sich im Beruf verwirklichen, aber ebenso gut auch in ehrenamtlicher Arbeit oder in musischer Tätigkeit.

Was ist mein Lebensthema? Vielleicht kann ich es am ehesten mit dem Wort der „Entdeckerlust“ umschreiben. Ich möchte es durchwandern, beobachten und sammeln, immer wieder in – für mich – neue und unbekannte Regionen vordringen. Ich möchte es kennen und schätzen lernen in seiner Vielfalt und Schönheit, aber auch in seiner Abgründigkeit.

Und ich möchte mir in all diesen Erfahrungen dessen bewusst werden, dass das Leben eine Gabe ist – eine Gabe, hinter der ein Geber steht, der mich einlädt auf Entdeckungsreisen zu gehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16440
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