SWR2 Wort zum Tag

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Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Ewigkeitssonntag – an etlichen Tagen erinnert der Monat November an die Vergänglichkeit menschlichen Lebens. Gedenktage, an denen wir uns bewusst werden können, wie kurz und flüchtig menschliches Leben ist. Das hat nichts mit Pessimismus oder Todesverliebtheit zu tun. Es ist schlichtweg realistisch. Und doch sind es Gedanken, denen man mitten im bunten Treiben des Lebens lieber ausweicht. Das geht mir genauso.

Dennoch: das Leben eilt vorbei. Tage um Tage vergehen und niemand kann sie aufhalten. Zwischen Geburt und Tod liegt – vor allem vom Ende her betrachtet – eine vergleichsweise kurze Spanne der Blüte und des inneren Hochgefühls, mitten im Leben zu stehen.

Solche Gedanken passen zum Spätherbst. Menschen nehmen teil am natürlichen Leben auf dieser Erde. Sie teilen die Bedingungen aller anderen Lebewesen. Warum sollte es uns anders ergehen als Tieren und Pflanzen? Auch wir leben und sterben.

In der Bibel finden sich immer wieder Bilder aus der Natur, um das menschliche Leben und seinen Werdegang zu veranschaulichen: „Der Mensch ist wie Gras, das am Morgen blüht und sprosst und am Abend welk wird und verdorrt. Er ist wie eine Blume auf dem Feld, über die der Wind hinwegfegt. Am Ende, wenn er seinen Lebensatem aushaucht, zerfällt er wieder zu Staub, woraus er gemacht ist.“

Die Autoren der Bibel weichen vor der nüchternen Einsicht in natürliche Zerfallsprozesse nicht zurück. Aber es klingt auch kühl, das Leben abwertend. Neben dem Körper ist da ja immerhin noch der Geist: das Denken und die Kreativität, die Unsterbliches erschaffen – die Schönheit einer Sonate von Mozart oder die Ausdruckskraft eines Verses aus der Hand Rilkes.

Doch selbst die Kunst vermag dem einzelnen Leben keine Spanne anzufügen; sie macht es nicht unsterblich. Gott hat dem Menschen nicht ein unendlich fortdauerndes Leben geschenkt, sondern eines, das hier und heute zu leben ist. Ich höre in den biblischen Worten über die Vergänglichkeit des Menschen die Erinnerung, dankbar zu sein für die Tage, die mir geschenkt sind. Ich kann und soll gelten lassen, was ich vor Gott bin: verschwindend klein in Kosmos und Geschichte, aber geliebt von ihm, der einen jeden Menschen geschaffen hat und ihm dieses kurze, aber auch schöne Leben eingehaucht hat

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