SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ein junger Mann zieht sich auf dem Marktplatz seiner Heimatstadt splitternackt aus. Vor den Augen seines Vaters und vieler Schaulustiger. Dem reichen Vater ist das total peinlich. Und er kann es nicht glauben, dass sein Sohn eigene Wege gehen will. Als erfolgreicher Geschäftsmann kann er seinem Sohn doch alles bieten. Schicke Klamotten, Partys, Luxus und Macht. Ein Leben in Saus und Braus. Doch der Sohn verzichtet. Möchte  nichts davon mehr haben und zieht los. Er wird ein Bettler, ein armer Mönch, der Armen und Kranken helfen will. Barfuß geht er von Ort zu Ort und erzählt von Gott.

Diese Geschichte ist rund 800 Jahre alt. Sie handelt von Franz von Assisi, auch Franziskus genannt. Er lebte in Italien und war Sohn eines reichen Tuchhändlers. Franziskus - diesen Namen hat der Papst sich gegeben. Papst Franziskus. Eine völlig abwegige Entscheidung, wie ich finde. Was soll denn der Papst in Rom mit so einem verlorenen Sohn gemeinsam haben? Der eine mächtig, im riesigen Petersdom, mit tausenden Mitarbeitern. Der andere arm und ohne Einfluss.

Dazu kommt: Franz von Assisi war mit der Kirche seiner Zeit unzufrieden. Er wollte eine andere Kirche, eine bescheidene Kirche im Dienst der Armen. Die Bischöfe und Päpste fanden das damals überhaupt nicht lustig. Es gab viel Ärger und Streit. Wäre Franziskus bei der Bevölkerung nicht so beliebt gewesen, hätte es schlimm für ihn enden können.

Und jetzt nennt sich tatsächlich ein Papst: Franziskus. Zwei Worte, die eigentlich gar nicht zusammen passen. Ein Papst, der sich nach diesem Franziskus benennt. Nach einem Querkopf, einem Aussteiger. Das ist ein Erdbeben für die Kirche. Jahrhundertelang lebten und regierten die Päpste wie Könige. Manche führten sogar Kriege. Es ging um viel Geld und Macht. Der neue Papst will es anders machen. Einiges hat er schon verändert. Zum Beispiel klagt er an, wie mit Flüchtlingen aus Afrika umgegangen wird. Seine Ideen lösen aber nicht nur Begeisterung aus. Viele Bischöfe sind irritiert, auch Politiker stößt er vor den Kopf. Es scheint, als würde er seinem Namen alle Ehre macht. Das macht Hoffnung. Ich hoffe sehr, dass er ein Querkopf bleibt und bin gespannt, wohin dieser Papst die Kirche führt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16377
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