SWR2 Wort zum Tag

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Gegen ein Leben im Konjunktiv 

Eine ziemlich herausfordernde Aufgabe: Verfassen Sie Ihren eigenen Nachruf. 15 Minuten haben Sie Zeit! Diese Aufgabe hat man Christiane zu Salm gegeben. Die erfolgreiche Medien-Managerin hat sich zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin ausbilden lassen und dabei einen Nachruf auf sich selbst schreiben sollen. Sie musste mit dieser Aufgabe ganz schön ringen, wie sie gerade in einem Interview bekannt hat.

Ich finde es auch enorm schwierig, mein eigenes Leben zu beschreiben, mich zu beurteilen, mir dabei selbst aber auch gerecht zu werden. 

Irgendwann hat Christiane zu Salm diese Aufgabe aber auch anderen gestellt. Und zwar den Sterbenden, die sie zweimal in der Woche besucht, in einem Berliner Hospiz oder zuhause. Auch sie wurden gebeten: Schreiben Sie ihren eigenen Nachruf! Die Sterbenden mussten sich also auch diesen Fragen stellen: Wofür bin ich dankbar, was hätte besser nicht passieren sollen? Aber auch: Wie will ich in Erinnerung bleiben, welches Bild sollen andere von mir haben, wenn ich einmal nicht mehr da bin? 

Die meisten, die Christiane zu Salm gefragt hat, waren gerne bereit, sich am eigenen Nachruf zu versuchen. Und, was mich am meisten erstaunt hat: Sehr viele von ihnen haben auch zugestimmt, dass aus ihren Nachrufen ein Buch entsteht. Gerade ist es erschienen. Es trägt den Titel:„Dieser Mensch war ich - Nachrufe auf das eigene Leben." Es sind berührende Geschichten von kleinem Glück, Träumen, die zerplatzt sind, verpassten Chancen oder Begegnungen, die nie stattgefunden haben... 

Christiane zu Salm selbst hat bei diesen Nachrufen eines am meisten berührt: All das, was im „Konjunktiv" formuliert worden ist: Dieses „Hätte ich doch!" oder: „Es wäre viel besser gewesen, wenn ...!" Für sie steckt darin etwas Ermutigendes: „Ich hoffe ein bisschen, dass Menschen, die das Buch gelesen haben, einfach aufhören ihr Leben im Konjunktiv zu leben." 

Das hat auch mich getroffen: Auch in meinem Leben gibt es viel zu viel Konjunktiv: „Was würde ich nicht alles tun, wenn ... „ Vor allem aber: Wie sehr kann mich dieses „Hätte ich doch ..." gefangen nehmen, ja wirklich lähmen.

Soll ich auch einmal versuchen, meinen eigenen Nachruf zu schreiben? Vielleicht trauere ich darin auch ein paar verpassten Chancen nach, Träumen, die zerplatzt sind. Aber ich hoffe auch, dass ich mich dabei von Gott gehalten fühlen kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16288
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