SWR2 Wort zum Tag

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Mit Sterbenskranken über den Tod reden - darf man das? Eine alte Krankenakte legt das nahe. Denn darin heißt es: Ein Mann wurde von einem Schmerz im rechten und kurz darauf im linken Arm ergriffen. „Danach erschien auf dem oberen Teil des Brustbeins ein Tumor. Er wurde angewiesen, ernsthaft und fromm an seinen Abschied von diesem sterblichen Leben zu denken, der unmittelbar bevorstand und unausweichlich war."

Das war 1761. Heute hätte man den Mann mit Blaulicht ins Krankenhaus befördert Doch auch die Fortschritte in der Medizin garantieren ja keine Unsterblichkeit. Aber jemanden so geradewegs darauf ansprechen, nun sei es an der Zeit, ernsthaft und fromm Abschied zu nehmen - wer traut sich das? Mut gehört dazu, der Wille, sich nicht über das Unausweichliche hinweg zu schummeln und der Wirklichkeit unseres „sterblichen Lebens" ins Auge zu schauen.

Über den Tod reden - von ihm schweigen bis zuletzt - das bleibt die Frage. Manchmal würde ich gerne Patienten und ihren Angehörigen  sagen: „ Machen Sie einfach mal den Fernsehapparat aus. Auch die Kreuzworträtsel können Sie beiseite legen. Es hat ja wenig Sinn, das nun zu verdrängen. Lassen Sie uns über den Tod reden." Doch Sterbenskranken dieses Thema aufs Auge drücken - das widerstrebt mir zu tiefst. Denn wer schaut schon rein in so einen Menschen? In den schlaflosen Nächten denkt er möglicherweise an nichts anderes als an dieses „sterbliche Leben". Und nimmt sich einfach das Recht, das allein mit sich auszumachen, sich abzulenken, um es zu ertragen.

Manche Patienten reden auch über ihren bevorstehenden Tod- aber erst, wenn ihre Angehörigen wieder aus dem Krankenzimmer gegangen sind. Sie sprechen dann von ihrer Angst vor diesem Abschied, vor dem, was nun unausweichlich ist, das niemand von uns kennt. Manche sagen auch: Ich bin froh, wenn alles vorbei sein wird.  

„Ernsthaft und fromm" an den Abschied denken - das ist auch eine Aufforderung, zu ertragen, was man nicht mehr ändern kann. Akzeptieren, dass es nun keine Chemo, keine OP, ja überhaupt keine Therapie mehr gibt. Eine Aufforderung, die letzte Chance zu nutzen, alten Streit zu begraben, um Verzeihung zu bitten und zu verzeihen.


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