SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied". Ein schöner Gedanke, aber irgendwie unfair. Das heißt doch, dass jeder Glück haben kann, wenn er bereit ist, etwas dafür zu tun. Klar, wenn ich etwas wirklich will und mich dafür einsetze, dann sind meine Chancen besser als wenn ich einfach warte, bis mir mein Glück zufliegt. Aber Durchhaltevermögen und ein guter Wille sind noch lange keine Garantie für Glück.

Als Lehrerin erlebe ich jeden Tag, dass dieser Spruch vielen Menschen gegenüber ungerecht ist. Gerade im schulischen Bereich sehe ich hunderte von Kinder um ihr Glück kämpfen. Sei es, dass sie sich um Freundschaften bemühen, sich anstrengen, um gute Noten zu bekommen oder auch alles versuchen, um mit emotionalen Problemen umzugehen. Viele Kinder kämpfen dabei mit so viel Einsatz und Hingabe, dass ich das nur bewundern kann. Wenn jeder seines eigenen Glückes Schmied wäre, dann müssten sie alle ihre Ziele erreichen, sie schmieden ja, was das Zeug hält. Bei manchen bleibt der Erfolg trotzdem aus. Das liegt aber nicht an mangelndem Einsatz, sondern an was ganz anderem: Die Kinder bekommen alle ganz unterschiedliches Material, um ihr Glück zu schmieden. Die einen haben die Fähigkeit, sich den Lernstoff sehr schnell zu merken, andere müssen ihn sich regelrecht einpauken. Die einen bekommen elterliche Hilfe bei Hausaufgaben und Sorgen, andere sind hauptsächlich auf sich allein gestellt. Bei den einen verfügt das Elternhaus über genügend Geld für Klavierstunden, Bücher und Hobbies, bei den anderen muss jedes Interesse hart erspart werden. Manche Kinder werden liebevoll umsorgt, andere werden zu Frontsoldaten im Scheidungskrieg der Eltern.

Die Kinder, die unter schlechteren Bedingungen schmieden, müssen viel mehr tun, viel härter kämpfen, um ihr Glück zu erreichen. Und diesen Kindern gegenüber ist dieser Spruch unfair. Mein Wunsch wäre, dass wir diesen Kindern bessere Arbeitsbedingungen für das Schmieden ihres Lebensglücks schaffen. Aber ich glaube das geht nur, wenn Eltern, Lehrer und Politiker gemeinsam für gutes Handwerkszeug sorgen. Denn das Material für das Schmieden ihres Glücks, bekommen die Kinder von uns. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16252
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