SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

"Das verzeihe ich dir nie!" Wer so einen Satz schon mal sagte oder dachte, ist verletzt worden, lebensgefährlich verletzt. Die Wunde ist so tief, dass sie nicht nur eine Beziehung zerstört hat; sie verändert auch den Verletzten nachhaltig, macht ihn misstrauisch, empfindlich, nachtragend. Immer wieder kreisen Gedanken und Gefühle um das Geschehene, immer wieder steigt die alte Wut in mir hoch und macht mit mir, was ich nicht will, sie beherrscht mich.
Franziskus, der berühmte Mönch von Assisi, begegnete einmal einem alten Freund. Auf die Frage, wie es ihm ginge, gießt dieser seinen ganzen Haß vor ihm aus: „Mein Grundherr ist schuld, dass es mir so schlecht geht, er hat mir alles genommen. Verflucht sei er!“ Der Hass war begründet, und doch sagt Franziskus: Bruder, vergib deinem Herrn, damit du innerlich frei wirst. Sonst hast du nicht nur dein Eigentum verloren, sondern wirst auch noch deine Seele verlieren! Der Freund wollte das erst nicht hören. Aber Franz ließ nicht locker, beschenkte ihn sogar, um ihn umzustimmen. Nach einem langen hin und her, so wird erzählt, kniete der Geschädigte nieder und bat Gott, er möge ihm die Kraft zur Vergebung schenken.
Das verzeihe ich dir. Jetzt. So könnte sie aussehen, die Vergebung. Vielleicht erst einmal als innerer Entschluss. Dann aber auch als Beginn einer Versöhnung. Das ist schwer und sicher nicht immer möglich. Und doch haben Menschen dadurch Befreiung erfahren, sind geheilt worden. Sie haben es ausgehalten, haben dem geschehenen Unrecht ins Auge gesehen, haben es aus den Tiefen ihrer Seele hervorgeholt und in den Raum gestellt. "Das ist geschehen. Ja, das war schlimm, und es tut mir immer noch weh. Aber Gott schenkt mir die Kraft, es hinter mir zu lassen, ich werde mich davon nicht mehr beherrschen lassen. Und eines Tages werde ich auch die Kraft haben, dies vor meinem Peiniger auszusprechen: „Das verzeihe ich dir – jetzt. Und wie du mit deiner Schuld leben musst, so sollst du jetzt auch mit meiner Vergebung leben lernen.“
Die Bibel ermutigt uns zu diesem Schritt. Vergebt einander, wie Gott euch vergeben hat in Christus. Er ist der Motor, die Kraft einer solchen Heilung. Es dauert manchmal lange, bis die Wunde heilt, und es wird Rückfälle geben.
Aber ich bin nicht auf mich allein gestellt.
Gott will und Gott schenkt Versöhnung, und die Gebete anderer stärken mir den Rücken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=1625
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