SWR2 Wort zum Tag

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Wie klein man doch manchmal ist als Einzelner. Ich habe das mehrfach gespürt im Urlaub, in Istanbul. Ich habe mich sehr wohl gefühlt in dieser unglaublich lebendigen Metropole. Und auch keineswegs unsicher. Das war nicht der Grund für diese Erfahrung des Kleinseins. Aber diese Stadt hat mir dennoch - in verschiedenen Perspektiven - gezeigt: „Mensch, Du bist klein."
Da ist zum einen diese schiere Menge von Menschen. Man ist nur einer von 15 Millionen in einer Stadt. Und oft erlebt man es hautnah.
Und ich habe auch gespürt: Europa ist nicht mehr der Nabel der Welt.
Istanbul liegt noch in Europa, und ist zugleich echte Weltstadt. Im vielstimmigen Chor der Touristen ist meine deutsche Stimme nur eine leise.
Und als drittes habe ich dieses ‚Wir sind klein als Einzelne' auch in zeitlicher Perspektive erlebt. Diese Stadt zeigt einem auf Schritt und Tritt die umwälzende Macht von Geschichte. Dauernd ist man unterwegs zwischen Byzanz - Konstantinopel und Istanbul. Wird erinnert an Vergangenheiten. Von den Mächtigen weiß man ihre Namen. Siege und Niederlagen erzählen ihre Geschichte.
Und die vielen Millionen, die in über 2500 Jahren hier gelebt haben, geliebt, ein Stück Glück gesucht, vielleicht gefunden? Gestorben. Aus der Perspektive der Geschichte, wie wir sie oft sehen - von den Mächtigen her - sind sie namenlos. Die Kleinen.
Aber so eine Stadt bietet auch an, diese Perspektive des Kleinseins zu durchbrechen. Es aufzufangen: Man erlebt, dass man auf stolze Weise „klein" sein kann. Wenn man in eine Moschee geht. Das ändert die Perspektive. Richtet sie auf den Ewigen.
Als Christ habe ich das am deutlichsten gespürt in der Kleinen Hagia Sophia. Wie die Große Hagia ist sie erbaut als Kirche. Man sieht es noch. Der vormalige Chor der Kirche - geostet, Richtung Jerusalem. In ihn eingefügt, weist fast in dieselbe Richtung die Gebetsnische der Moschee, nach Mekka. Und beide, Chor und Nische, zeigen mich auf einmal größer. Orientieren mich auf Gott. Den Ewigen Allmächtigen.
Und als Christ auf Jesus von Nazareth. Die Mächtigen seiner Zeit haben versucht, ihn namenlos zu machen. Ohne Erfolg. Und er ist für mich wie kein anderer der Bruder von uns kleinen Leuten. Ein Liebhaber von uns Kleinen.
Und er gibt uns großes Selbstvertrauen mit: Gott kennt Sie und mich mit Namen und vergisst ihn auf ewig nicht: „Freut Euch, dass Eure Namen im Himmel geschrieben sind," hat Jesus mal gesagt.
Ich sage Ihnen, wenn man so orientiert aus einer Moschee-Kirche geht, dann ist man stolz, klein zu sein. Nicht nur in Istanbul.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16187
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