SWR4 Abendgedanken

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Unser Koch hieß Abu Shauki stammte aus Gaza und versorgte uns Jerusalemer Studenten jeden Tag mit arabischer Küche. Über 30 Jahre ist das jetzt her und wenn ich an diese Zeit zurückdenke sehe ich sein Bild vor mir.
Ein Jahr lang habe ich auf dem Sionsberg nahe der Altstadt Jerusalems gelebt, studiert, das Land kennengelernt. Wir waren eine bunte Truppe, Studenten beider Konfessionen, die einzige ökumenische Fakultät der Welt.
Wir lebten unter einem Dach, Beith Josef hieß es, diskutierten, stritten auch mal, lernten uns aber besser kennen. Vorurteile bleiben nur, wenn man Augen und Ohren zuhält. Das ging dort nicht. Wir begriffen, dass uns weit mehr verbindet als trennt, respektierten die Traditionen der anderen. Und gemeinsam die anderer Religionen. Deswegen erinnere ich mich an Abu Shauki. Jeden Morgen um 5 Uhr hörte ich ihn auf dem Dach seine Morgengebete sprechen. Sein Gebetsteppich in der Küche gehörte dazu wie alles andere. Im Ramadan fastete er streng.
Für einen Koch nicht gerade einfach, nicht essen, nichts trinken, den ganzen Tag. Zum Abschmecken mussten wir einspringen. Wir beschrieben den Geschmack, er würzte nach. Keine Ausnahme. Fasten war Fasten. Ich weiß noch, dass wir damals über Khomeini sprachen, über radikale Moslems, über Islam und Gewalt. Und ich erinnere mich, dass er dann sehr ernst wurde. Ein Verrat sei das an seiner Religion, das habe Mohammad nicht gewollt. 

An einem Sonntagmorgenwar ich unterwegs zur Messe. Ich holte mir in der Küche noch schnell einen Schluck Wasser. Abu Shauki zeigte auf seinen Gebetsteppich. "Ich hab jetzt mein Gebet hier in der Küche, du in der Kirche." Und dann der Satz, den ich mit ihm wohl immer verbinden werde: "Believe me, it's the same God." "Glaub mir. Es ist der gleiche Gott."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16156
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