SWR2 Wort zum Tag

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Die Hörner eines geschnitzten Teufels in einer Kirche werden zum Glücksbringer.
Manchmal kann uns sogar ein Teufel zu unserem Glück verhelfen. In einer alten gotischen Kirche habe ich einen solchen Teufel entdeckt. An der Stirnseite eines alten Chorgestühls. Als Relief geschnitzt. Viele hundert Jahre alt. Der Teufel versucht, einen Menschen an seinem Gewand festzuhalten.
Das Besondere an der kleinen Teufelsfigur, das sind die Hörner. Sie ragen etwas aus dem Bild heraus. Diese Hörner sind viel heller als die übrige Figur. Wissen sie, woher das kommt?, hat der Kirchenführer gefragt und die Antwort gleich nachgeschobenen. Die meisten Menschen, die hier vorbeikommen, fassen die Hörner an. Wie einen Glücksbringer.
Den Teufel anfassen, damit er Glück bringt. Da hab' ich dann doch gestaunt. Warum - habe ich mich gefragt - warum fassen die Menschen diese Teufelshörner an? Ich glaube, ein Stück magischer Glaube ist da schon dabei. Etwa in dem Sinn: Wenn so viele Menschen den Teufel nicht nur anschauen, sondern richtig hinfassen, dann muss das doch für etwas gut sein. Da probier' ich es lieber auch.
Etwas anderes halte ich aber für wichtiger. Diesen Teufel kann ich ohne Risiko an seinen Hörnern zu fassen bekommen. Wenn er, wie auf dem Bild, einen Menschen zu fassen kriegen will, mach ich's mit ihm genauso. Und halte ihn an seinen Hörnern fest.
„Und wenn die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es sollt uns doch gelingen." Martin Luther hat das so in einem bekannten Liedvers in Worte gefasst. In dieser Kirche wird das handgreiflich. Das Böse und das Bedrohliche. Ich fasse es einfach bei den Hörnern, anstatt ihm auszuweichen.
Es ist nicht leicht, diesen Gedanken umzusetzen. Das Böse kommt oft im Gewand scheinbarer Harmlosigkeit und des Banalen daher. Hannah Arendt hat darauf eindrücklich aufmerksam gemacht. Oder es hat eine solche Kraft, dass ich als alleine wenig dagegen ausrichten kann. Ein Weg, um mich dem Bösen entgegenzustellen, heißt: Ich schaue nicht weg. Ich nenne Unrecht beim Namen. Das große. Und das kleine.
Es gibt also schon Wege, den Teufel bei den Hörnern zu packen. Und meist ist gar kein „fremder" Teufel mit im Spiel. Weil Menschen dahinter stecken. Wenn ich da ein Teufels-Horn zu fassen kriege, dann geht es mir schon deutlich besser. Und das ist auch ein Glück!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16143
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