Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Schau mal, was ich gemalt habe!" sagt Lukas, 3 Jahre alt und hält mir und seiner Mutter ein Blatt Papier hin.
Es ist knallbunt mit krakeligen Kreisen und krummen Strichen. Schwer zu sagen, was das sein soll. „Toll!" sagt seine Mutter, freut sich und hängt das Bild kurzerhand an die Kühlschranktür.
Toll, denke ich. Wie Lukas sich über sein Bild freut. Natürlich weiß er, dass das Bild nicht jeder versteht. Und dass man das sicher noch besser malen könnte. Aber er hat Mut auch mal was zu tun, was nicht perfekt ist.
Den wünsche ich mir auch für Tim.
„Ich kann nicht malen", sagt er und sitzt schon seit 10 min vor dem leeren Blatt Papier.
„Glaub ich nicht", sage ich und wir malen gemeinsam. Tim hat Recht, so gut malen wie sein Sitznachbar kann er nicht. Zum großen Künstler wird es wahrscheinlich nicht reichen. Aber muss es ja auch nicht. Tim will sowieso lieber Feuerwehrmann werden.
Dieser Mut zur Unvollkommenheit! Einfach mal ausprobieren.
Den wünsche ich mir auch öfters.
Wäre doch schade, wenn nur der malen dürfte, der besonders begabt ist.
Oder wenn nur der singen dürfte, der bei Deutschland sucht den Superstar gewonnen hat.
Nobody is perfect. Bei anderen macht mir das gar nichts aus, wenn sie nicht perfekt sind.
Nur ich selber - ich wär doch gerne hin und wieder so.
Ich würde gerne in meinem Beruf alles richtig machen: Immer für alle Zeit haben und ein offenes Ohr für jeden. Immer die richtigen Worte finden und für jedes Problem eine Lösung parat haben.
Klappt natürlich nicht. Muss es auch nicht.
„Macht mal", hat Jesus zu seinen Jüngerinnen und Jüngern gesagt und sie losgeschickt. „Tut den Menschen Gutes und erzählt von mir." Das hat er zu Petrus gesagt, der auf dem Wasser untergangen ist, und zu Judas, der ihn verraten hat. Alle alles andere als perfekte Menschen.
Trotzdem oder gerade deshalb: Macht mal, probiert es aus.
Lasst auch mal Fünfe gerade sein.
Denn nobody is perfect.
Perfekt ist nur Gott.
Und Gott sei Dank schaut er uns mit liebevollen Augen an.
So wie bei Lukas und seiner Mutter.
Also: Mut zur Unvollkommenheit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16133
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