Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Vier Männer in schwarzen Anzügen im Altarraum vor uns, vier Stühle, vier Gitarren.  Es wird still, immer stiller, alle schauen gebannt nach vorn. Die Männer sehen sich an, einer lächelt, dann erklingt ganz zart der erste Ton. Dieser erste Mann spielt seine Melodie, ein anderer reagiert darauf, dann der dritte. Auch als alle vier zusammen spielen, wird es nicht wirklich laut. Ich traue mich kaum, die Beine über einander zu schlagen, geschweige denn, im Programm zu blättern. Will jeden Ton hören, die Verständigung der Musiker wahrnehmen, das Leise steckt mich an, so wie die anderen Zuhörer auch.
Konzentrierte, stille Aufmerksamkeit und Faszination.
Und ich denke: so muss es bei Gott gewesen sein, als er ruhte am siebten Tag, nachdem er die Welt erschaffen hatte. So erzählt es uns die Bibel: Gott sah alles an, was er gemacht hatte, es war sehr gut. Und dann ruhte er. Nicht vor einem lärmenden Fernseher, nicht mit Stöpseln auf den Ohren, sondern in schweigender, aufmerksamer  Bewunderung für die Welt. Das mach ich auch manchmal. Ich stehe schweigend am Fenster oder auf dem Balkon, und schaue in die Ferne und erfreue mich an dem Ausblick. Die Welt ist richtig schön, denke ich dann, und versinke im Anblick der Wolken, des Nebels, der herbstlichen Farben, der Schafe auf der Weide gegenüber. Ganz wunderbar. Der evangelische Pfarrer Jörg Zink hat ähnliche Gedanken in einen Text gefasst:
„Schweigen möchte ich Herr, und auf dich warten. Schweigen möchte ich, damit ich verstehe, was in deiner Welt geschieht. "Als alle Dinge in der Mitte des Schweigens standen", sagt die Bibel, " kam vom göttlichen Thron, o Herr, dein allmächtiges Wort." * Dafür ist heute wieder Sonntag: zum Schweigen. Und zum Staunen. Und zum Hören auf das Wort.

*Jörg Zink: Wie wir beten können Kreuz Verlag 1970 Seite 15, Die zitierte Bibelstelle: Weisheit 18,14

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16113
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