SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Wenn ich meine Mutter besuche, weiß ich oft gar nicht, in welcher Welt sie gerade ist. Sie sitzt dann zwar vor mir, aber wir leben in verschiedenen Welten. Ich in dieser hier und sie in ihrer eigenen. Und zu der habe ich meistens keinen Zugang. Meine Mutter leidet an Demenz. Auch die Pflegekräfte, die sie tagtäglich betreuen, können ihr nur selten in ihre Welt folgen. Es sei denn, man findet einen Zugang. Bei meiner Mutter sind das manchmal Erinnerungen, die ihr noch präsent sind. An Orte ihres Lebens. An Verwandte oder Freunde. Manche sind längst verstorben. Wenn sich dann aber die Tür in ihre verschlossene Welt einen Spalt breit öffnet, dann ist manchmal sogar ein echtes Gespräch wieder möglich. Ein kurzer Austausch von Gedanken. Eine Brücke von meiner Welt in ihre.
Das mit dem Brückenbauen, so von Mensch zu Mensch, das ist oft gar nicht so leicht. Nicht nur bei Menschen, die schwer erkrankt sind. Geredet wird zwar unendlich viel. Vielleicht so viel wie nie zuvor. Aber echte Begegnung, so von Mensch zu Mensch, geschieht für mich erst da, wo zwei Menschen sich wirklich öffnen können. Wo sich gewissermaßen ihre Seelen berühren. Für mich sind das kostbare Momente. Genau genommen braucht es dazu gar nicht viel. Manchmal sogar nicht mal Worte. Nur tiefes Vertrauen. Die entscheidende Brücke, so von Mensch zu Mensch.

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