SWR2 Wort zum Tag

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Im Psalm 43, dem Gebetbuch des Alten Testaments stehen die folgenden Sätze:

„Ich will dir auf der Laute danken, Gott, mein Gott.

Warum bist Du betrübt meine Seele,

und warum beunruhigst du mich?

Hoffe auf Gott, denn ich werde ihm noch danken.(Psalm 43,4 und 5)

Der Mensch, der hier betet, schwankt in seinen Stimmungen. Er dankt, er singt und musiziert, ist betrübt und beunruhigt, ruft sich selber zur Hoffnung auf und ist zuversichtlich. Zu Beginn dieses Psalms hatte er Gott angefleht, ihn vor bösen und tückischen Menschen zu retten und ihm Recht zu verschaffen. Welch ein Wechselbad der Gefühle! Was mich wundert: Dieser Mensch spricht mit seiner Seele, als wäre sie eine Person außerhalb von ihm: „warum bist du betrübt?", „warum beunruhigst du mich?", „hoffe auf Gott".

Ich habe dazu ein altes Bild, eine Buchmalerei, gefunden. Sie stammt aus dem sogenannten Stuttgarter Psalter, einer illustrierten Psalmenhandschrift. Um 820 hat da ein Mönch dieses „warum bist Du betrübt, meine Seele" wörtlich genommen. Er malt nämlich zum Psalm 43 die Seele tatsächlich als eine eigene Figur. Sie sitzt oben auf einem grünen Hügel, das Gesicht in die Hand gestützt. Und damit auch jeder erkennt, wer das sein soll, rahmt er den Kopf der Figur mit dem Wort „anima", also "Seele" ein. Nur wenig entfernt der Psalmsänger mit der Laute. Er blickt die Seele nicht an. So steht er da, gestützt auf einen Stock, sein Kopf ist geneigt, sein Gesichtsausdruck traurig. Trotzdem wirkt das Bild nicht traurig. Die Seele sitzt oben auf einem grünen Hügel, an dessen Fuß fünf große Blüten wachsen, rot und gelb blühend. Neben dem Hügel steht ein kräftiger Baum. Aus denselben Farben rot und grün ist die Kleidung des Sängers mit der Laute. Außerdem wagt er einen tastenden Schritt hinaus aus dem Bild in den Psalmtext hinein. Sein Fuß zeigt dabei auf das Wort spera, und das heißt übersetzt „hoffe".

Jener schreibende und malende Mönch hat den Psalm wörtlich genommen. Und vor über 1000 Jahren anschaulich dargestellt, wie ein Mensch mit sich im Zwiegespräch ist. In einem Zwiegespräch, in dem alles zu Wort kommen darf, was einen Menschen bewegt. Und wie in diesem Zwiegespräch das Hoffen die Oberhand gewinnt.

vgl.: http://www.christentum.ch/stuttgpsalt.htm    dort Psalm 43

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16018
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