SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

In sich gekehrt. Still und durch nichts aus der Ruhe zu bringen. So sitzen sie nebeneinander, ganz vertieft.

Ich spreche nicht von einem Meditationskurs oder einer Unterrichtsstunde, sondern davon, wie ich Menschen beobachte, wenn ich in der S-Bahn fahre: Fast jeder hat ein Smartphone in der Hand und ist mit Chatten oder Surfen beschäftigt. Und fast niemand bekommt etwas mit von den Leuten, die mit ihm fahren.

Und ich habe mir gedacht, wie anders das doch vor - sagen wir - 200 Jahren gewesen sein muss, als das öffentliche Verkehrsmittel die Postkutsche gewesen ist: eine lange und holprige Fahrt, vielleicht sogar gefährlich und mit fremden Leuten in einem Raum. Aber wenn man Reiseberichte oder Romane von damals liest, dann müssen die Leute damals lebhaft miteinander geredet haben; über das Ziel  der Reise und ihren Zweck, über den Beruf und die Lebensumstände. Und das muss damals auch normal so gewesen sein. Wenn ich mir heute vorstelle, dass ich einen von den Mitreisenden nach dem Ziel seiner Reise fragen würde oder sogar nach seinem Beruf, dann würde man mich vermutlich schon seltsam anschauen und mein Verhalten vielleicht distanzlos finden.

Ich kann das also nicht einfach ändern, indem ich mich hier anders verhalte. Zumindest mir würde das schwer fallen. Aber ich finde es schon paradox, dass ich heute über die besten Kommunikationsmittel verfüge und immer und überall erreichbar sein kann, aber die Menschen, die in meiner direkten Nähe sind, kaum wahrnehme, geschweige denn, mit ihnen rede.

Da bräuchte es schon einen Notfall oder eine Situation, in der meine Hilfe gefragt ist. Letzte Woche habe ich es erlebt, dass eine ältere Dame dieses Verhalten gesprengt hat. Sie hat Hilfe gebraucht, weil sie mit ihrer Gehhilfe und den Einkaufstaschen nicht alleine in den Bus gekommen wäre. Sie hat mich laut angesprochen. Es war kurz peinlich, aber ich habe ihr dann natürlich geholfen und wir haben uns anschließend noch ein bisschen unterhalten. Keine tiefschürfenden Gespräche und auch nichts Verbindliches. Aber im Nachhinein habe ich gedacht, dass so eine Situation gelebtes Leben im Alltag ist. Kommunikation ohne Hilfsmittel, dafür direkt und mit leibhaftigen Menschen.

Klar geht das nicht immer und ich will auch nicht immer mit allen und jedem sprechen. Aber ich will ein offenes Auge für die anderen haben. Und ich will versuchen, nicht immer auf ein technisches Gerät fixiert zu sein, denn ich bin doch immer als Mensch unter Menschen unterwegs.

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