Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Mein Vater beurteilte die Qualität eines Restaurants nach der Art, wie das Bier eingeschenkt wurde. Reichte die Flüssigkeit bis zum Eich-Strich und hatte das Bier eine passable Schaumkrone, dann war er zufrieden. Knurrig wurde er, wenn das Glas nicht richtig voll war und der Schaum nur einen Rand bildete. Stand das Bier aber über dem Eich-Strich und türmte sich die Schaumkrone weit über den Glasrand, dann war das ein Zeichen für ein gutes Restaurant. Wo so gut eingeschenkt wurde, da war die Gastlichkeit gesichert, da durfte auch ansonsten mit einer guten Bewirtung gerechnet werden.

Meist behielt mein Vater mit diesem Bier-Barometer Recht. Und ich habe selbst die Erfahrung gemacht: Wo voll eingeschenkt wird, da bin ich als Gast willkommen.

Auch die Bibel benutzt dieses Bild: Immer wieder vergleicht sie die Zuwendung Gottes mit einer großen Fülle, die kein Gefäß fassen kann. Maß und Glas laufen über, so freigiebig ist Gott. Übervoll schenkt er ein. Und anders als im Restaurant stellt Gott am Ende nicht einmal eine Rechnung aus. Denn er hat eingeladen, und wir sind seine Gäste.

So beschreibt die Bibel aber nicht nur das ewige, zukünftige Heil, sondern auch die Alltagserfahrung der Gläubigen: Selbst in schwierigen Situationen erlebt der Beter in der Bibel, wie ihm Gott den Tisch deckt und ihm voll einschenkt.

Dabei macht die Bibel einen mutigen Schritt: Sie stellt nicht schlechte und gute Erfahrungen gleich-gültig nebeneinander und sagt „Manchmal kommt es eben so - und manchmal anders". Sondern sie schaut konzentriert auf die guten Erfahrungen von Fülle und Zuwendung und sagt: Das ist es, worauf es ankommt, denn das sind schon Kostproben des großen Glücks, des künftigen Gastmahls, das Gott für uns bereitet. Diese Einseitigkeit erlaubt sich die Bibel, weil sie weiß, wie das Ganze ausgeht:

Am Ende stehen nicht Mangel und Maßhalten, sondern und Fülle und Freude. Und darauf gibt es hier und jetzt schon einen belebenden Vorgeschmack. Nämlich immer dann, wenn uns mehr eingeschenkt und geschenkt wird, als wir eigentlich erwarten dürfen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15977
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