SWR2 Wort zum Tag

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Es gibt viele Religionen. Ihre Unterschiede auf der einen Seite und ihre gemeinsame Ausrichtung auf Gott auf der anderen kommen uns heute deutlicher denn je zum Bewusstsein. Die Frage, welche Haltung wir angesichts der heutigen religiösen Vielfalt einnehmen, ist daher besonders aktuell. Die Gläubigen einer jeden Religion sind vor die Aufgabe gestellt, wie sie die Einzigkeit des Gottes, an den sie glauben, und die Vielheit der Glaubensvorstellungen zusammenbringen können. Die einen lösen das Problem mit dem Wunsch, es mögen irgendwann einmal alle so glauben, wie sie selbst es tun. Andere erkennen, wie begrenzt die eigene Gotteserkenntnis ist. Sie nehmen die anderen Wege zu Gott als Bereicherung wahr. Denn sie wissen, dass die Gotteserfahrung, die ihrer eigenen Religion zugrundeliegt, von Menschen zum Ausdruck gebracht und gelebt ist. Völker geben wichtige religiöse Erfahrungen in ihrer Geschichte weiter und drücken sie aus in ihrer je eigenen Kultur, Denkweise und Lebensweise. Wenn sie einander begegnen, nehmen diese Völker wahr, dass ihre je eigene Ausdrucksweise begrenzt ist und geschichtlich bedingt. Zugleich entdecken sie im Austausch mit anderen religiösen Kulturen das, was ihnen an der eigenen Kultur kostbar ist.

Das setzt allerdings voraus, dass der Austausch, das Gespräch zwischen den Religionen überhaupt möglich ist. Allein schon die Tatsache, dass zwei Menschen, die miteinander über alltägliche Dinge im Gespräch sind, einander verstehen, ist wie ein Wunder. So viele vermittelnde Vorgänge treten dazwischen, wenn wir einander wahrnehmen, wenn wir das Gehörte verarbeiten und es schließlich weitersagen. Es ist schon im alltäglichen Gespräch ein weiter Weg vom Wahrnehmen über das Verstehen zum Ausdrücken dessen, was wir verstanden haben. Umso erstaunlicher ist es also, dass Menschen unterschiedlicher religiöser Traditionen miteinander das Gespräch suchen und im Verstehen Schritte aufeinander zu tun. Dieses Wunder kann als Zeichen dafür gelesen werden, dass in der einen wie in der anderen Religion ein und derselbe göttliche Geist wirksam ist. Dieser Geist bewirkt, dass wir einander verstehen und annähern können. So können wir gerade im Gespräch entdecken: die Vielfalt der religiösen Wege widerspricht nicht der Einzigkeit Gottes.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15926
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