SWR2 Wort zum Tag

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Unerwartet hat sich Besuch angekündigt. Ein Freund der Familie und trotzdem: ein seltener Gast. Also wird geputzt, geschrubbt und gewienert. Die Vorratskammern werden gefüllt, Leckereien aufgefahren. Der Gast soll sich schließlich wohlfühlen - ganz wie zu Hause.
Eine Alltagsgeschichte. Sie steht in der Bibel. Der Gast heißt Jesus; die Gastgeberinnen Martha und Maria. Die Geschichte erzählt uns von der Frustration einer Frau, die mit ihrer eigenen Rolle offenbar unzufrieden ist.
Martha ist die Frau des Hauses. Sie hat alle Hände voll zu tun: Essen vorbereiten, den Tisch richten, servieren - und ständig volle Aufmerksamkeit, dass ja nichts fehlt. Ihre jüngere Schwester Maria scheint nicht zu merken, welche Arbeit sie sich da macht. In aller Seelenruhe sitzt sie im Wohnzimmer und unterhält sich mit dem Gast. Kein Wunder, dass Martha irgendwann herausplatzt: „Könntest du meiner Schwester bitte mal deutlich machen, dass sie mir in der Küche ein wenig zur Hand gehen soll?"
Jesus wehrt den Vorstoß erst einmal ab: „Lass Maria in Ruhe. Sie weiß schon, was sie tut, und was im Moment für sie wichtig ist." Doch was fängt Martha mit dieser Antwort an?
In meinen Augen ist Martha kein Heimchen am Herd, sondern eine selbst-bewusste Frau. Ihr Anliegen ist berechtigt. Sie ist die Gastgeberin und trägt die Verantwortung. Aber sie hat auch etwas zu lernen in dieser Geschichte. Im Grunde sagt Jesus zu Martha: „Schau dir deine Schwester Maria an! Sie hat für sich herausgefunden, was ihr in diesem Augenblick wichtig ist. Sie nimmt sich die Freiheit dafür. Du hast dich auch entschieden - für deine Arbeit. Also, steh zu der Rolle, die du gewählt hast - oder ändere sie!"
„Werde diejenige, die du sein willst!" - Das ist die - durchaus - provozierende Antwort Jesu. Es geht nicht darum, dass die Hausarbeit zwischen den Schwestern gerecht verteilt wird. Es geht um die Rollen, die Maria und Martha spielen. Und es geht darum, dass Martha ihr eigenes Profil findet. Sie soll nicht funktionieren und auf Gedeih und Verderb den Haushalt führen. Sie soll keinem noch so aufrichtigen oder krummen Frauenideal entsprechen. Sie soll nicht für anerzogene Tugenden einstehen. Sie soll eigentlich nur eines: ihren Platz finden, von dem sie sagen kann: Das ist jetzt für mich dran. Wie Maria!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15917
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