SWR3 Gedanken

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Mein Sohn Fred ist jetzt zwei Jahre alt. Er spricht schon ziemlich viel, aber um ihn zu verstehen braucht man manchmal noch ein bisschen Glück. Er kann zum Beispiel noch nicht „Ich" sagen. Stattdessen sagt er immer „Du". Wenn Fred also sagt: „Du selber machen", dann heißt das eigentlich „Ich will das selber machen." Hat Fred Hunger, dann heißt das „Du essen.", und wenn er müde ist, dann sagt er „Du Bett". Ist ja irgendwie auch klar, weil Mama und Papa immer „Du" zu ihm sagen und nicht „Ich".

Dass Fred das „Ich" mit dem „Du" verwechselt ist typisch für Kleinkinder. Sie sind seit der Geburt total abhängig von anderen. Erst mit der Zeit, wenn die Kinder selbständiger werden, dann entwickelt sich auch das Ich-Gefühl oder Selbstbewusstsein.

Der Religionsphilosoph Martin Buber hätte wohl seine wahre Freude an Fred´s „Du-Sätzen" gehabt. Denn einer der berühmtesten Sätze Bubers heißt: „Der Mensch wird am Du zum Ich". Aber Buber meint natürlich nicht nur die sprachliche Ebene, sondern die menschliche ebene überhaupt: Erst wenn ich den anderen wahrnehme, auf ihn achte und reagiere, dann entwickle ich mich zu dem, der ich eigentlich sein könnte. „Der Mensch wird am Du zum Ich"

Beziehungen sind für Martin Buber das A und O. Und auch Religion ist für ihn Beziehung. Buber sagt: „Religion ist ein Gespräch zwischen Himmel und Erde." Für ihn ist klar, dass Gott immer ansprechbar ist. Und Gott spricht auch die Menschen an. Nicht nur in glücklichen Momenten, sondern gerade dann, wenn ich vor Herausforderungen stehe. Buber sagt, Menschen begegnen dann Gott, „wenn sie ihre Arme um die leidige Welt legen".

Ich habe manchmal das Gefühl, Gott zu begegnen, wenn ich meine Arme um den kleinen Fred lege. Und das hat Buber wahrscheinlich auch gemeint mit „Der Mensch wird am Du zum Ich".

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