SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Es war ,als hätt der Himmel/Die Erde still geküßt,/ Dass sie im Blütenschimmer/ Von ihm nun träumen müßt."  Bekannt sind diese Verse Eichendorffs, durch die Vertonung Schumanns erst recht. Viel bekannter noch ist die Sehnsucht , die daraus spricht: die Vereinigung von Himmel und Erde ist  förmlich ein  menschheitliches Ursymbol. Die Gegensätze von oben und unten sollen sich versöhnen, Gott und Menschen  mögen wieder eins werden. Die  Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit gewinnt himmlische Qualität , und der Himmel wird geerdet.  Im Bildwort vom Kuß ist die ganze Lust dieser Vereinigungsgeschichte ausgedrückt.

Heute ist Mariä Himmelfahrt, eines der schönsten christlichen Schöpfungsfeste. Was Glaubende für sich und alle erhoffen, ist in Maria, der Mutter Jesu, schon geglückt. Maria ist  mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen. Ihr ganzes Leben ist sozusagen vom Himmel geküsst, und in ihr ist Gott selbst zur Welt gekommen. Was  der Dichter nur träumerisch wie verloren  und im Irrealis besingt, das ist - so die Überzeugung der Christen  - wirklich geworden. Und es wird wahr in jedem Menschen, der österlich glaubt. Das  Leben auf dieser Erde und diese Welt sind nicht umsonst oder für die Katz; es ist himmlisch und soll es werden. Deshalb ist es ein alter Brauch, an diesem Himmelfahrtstag  Kräuter und Blumen zu sammeln und in Maria die himmlische Erdmutter zu verehren.  Stellvertretend für das ganze Jahr soll wenigstens einmal ausdrücklich gedankt werden für die Schönheit und den Reichtum des Irdischen.

„Die Luft ging  durch die Felder,/ Die Ähren wogten sacht,/ Es rauschten leis die Wälder,/ So sternklar war die Nacht.//  Und meine Seele spannte/weit ihre Flügel aus,/ Flog durch die stillen Lande,/ Als flöge sie nach Haus."  Eichendorff  dichtet im Modus des Sehnens und Wünschens nach dem Motto „schön wärs, aber leider sind die Verhältnisse nicht so". „Doch , so ist es" - setzt das  Fest von der Heimkehr Mariens mutig entgegen. Österlich darf der Mensch hoffen, wirklich in den Himmel zu kommen, also zu Gott und nach Hause. Aber das wertet das Leben jetzt gerade nicht ab - im Gegenteil. Die Heilkräfte sind ja da, und im Gedanken an Paradies und Himmel wird das Irdische geradezu geheiligt und unendlich aufgewertet. Deshalb bringt man heute Pflanzen und Kräuter in die Kirche, aber das ganze Jahr über ist die Kirche draußen bei den Kräutern und in der Natur, auf den Wiesen und den Feldern. Himmel und Erde, Gott und Mensch sind nun untrennbar.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15850
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